Was muss geschehen, damit ein Mann vom Freigeist zum Berufsrevolutionär und dogmatischen Stalinisten wird? Der Schriftsteller und DDR-Kulturfunktionär Alfred Kurella (1895-1975) glaubte, dass Menschen nach einer festgelegten Parteilinie geformt werden müssen, und zählte sich selbst zu den Auserwählten, die das Formen übernehmen können. Abweichungen hat er bekämpft, er hat Karrieren zerstört und Menschen an ihrem künstlichen Schaffen gehindert. Wie wurde er der, der er war?
Um diese Frage zu beantworten, nimmt Martin Schaad detektivische Ermittlungen zu Kurellas Leben auf. Alfred Kurella selbst hat keinen Text verfasst, der darüber Aufschluss geben könnte, jedoch hat er Mitte der 1930er Jahre in Moskau einen Roman geschrieben – ‘Die Gronauer Akten.’. Vordergründig wird darin ein Kriminalfall in einem kleinen niedersächsischen Dorf zur Zeit des Nationalsozialismus geschildert. Bei genauem Lesen jedoch weist dieser Text starke autobiografische Züge auf.
Martin Schaad hat den Roman genau interpretiert, hat unterschiedlichste Indizien zusammengetragen und kann sowohl den Zeitpunkt als auch die Gründe für Kurellas Verwandlung in einen dogmatischen Großinquisitor der DDR-Kultur benennen.
Die Auseinandersetzung mit der Person Kurella und die biografische Spurensuche im Subtext seines Romans vermitteln spannende Einblicke und neue Erkenntnisse zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte anhand eines signifikanten Einzelschicksals.
قائمة المحتويات
Inhalt
Einleitung
Die zwei Seiten des Kunstprozesses
Die ‘Gronauer Akten’
Kurella als literarischer Meister des Sozialistischen
Realismus
Ein geselliger Abend und seine Folgen
Kurellas Renitenz
Ein gescheiter Kerl?
Rückschläge und neue Hoffnung
Wachsende Verzweiflung
Die ‘Gronauer Akten’ – ein linientreues Echo
Die ‘Gronauer Akten’ – eine Tschernyschewski-Kopie
Die ‘Gronauer Akten’ – eine Selbstdarstellung
Die ‘Gronauer Akten’ – eine Persönlichkeitsspaltung
Willi, Lilly und das ‘N … pabo … Na … Bock … rec …’
Wie man wird, was man ist
Kurzbiografien der handelnden Personen 1934-1936
Bibliografie
عن المؤلف
Martin Schaad ist Stellvertretender Direktor des Einstein Forums in Potsdam. Er studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philiosophie an der University of Stirling in Schottland und promovierte in Neuerer Geschichte am St Antony’s College, Oxford. Seinen MBA absolvierte er an der Heriot-Watt University, Edinburgh. Neben diversen Aufsätzen zu zeitgeschichtlichen Themen ist er Autor der Monografien ‘Bullying Bonn: Anglo-German Diplomacy on European Integration, 1955-61’, Bsingstoke 2000, und ‘Dann geh doch rüber. Über die Mauer in den Osten’, Berlin 2009.