Der große und ewige Konflikt des Menschen ist der, den er mit sich selbst austrägt, denn er ist in jedem Augenblick Individuum und Teil einer Gemeinschaft, und nur selten vertragen sich diese beiden Seelen in unserer Brust. In keinem Theaterstück wird dies deutlicher als in Sophokles’ Antigone. Kreon, König von Theben, wider Willen, vertritt den Staat. Antigone folgt ihrem Gewissen. Es wäre falsch und billig, einer der beiden Kräfte den Vorzug zu geben, einer der beiden Kräfte recht zu geben. Die Tragödie besteht ja gerade darin, dass beide recht haben. Darum hat das Stück über zweieinhalb Tausend Jahren nichts an Glut und Kälte eingebüßt. Die Bearbeitung des Stoffes war leicht und zugleich schwierig – leicht, was den dramatischen Aufbau betrifft, schließlich gründet unsere abendländische Vorstellung von dem, was Tragödie ist, auf der ‘Poetik’ des Aristoteles, und der bezieht sich auf Sophokles; schwierig, wenn in der antiken Antigone, der Ismene, dem Kreon, dem Teiresias, dem Haimon, vor allem im antiken Chor heutige Charaktere gefunden werden sollen.
‘Nach dieser Arbeit glaube ich, wenn man ein Stück verstehen will, muss man es neu schreiben.’ – Michael Köhlmeier
‘Das ist die große Kunst des Michael Köhlmeier: Die Wahrheit des antiken Mythos eindringlich zu vergegenwärtigen, ohne platte Aktualisierung.’ – Konrad Paul Liessmann
عن المؤلف
Michael Köhlmeier, geboren 1949, Romane und Erzählungen, die meisten erschienen im Hanser Verlag München, zuletzt ‘Frankie’ und ‘Matou’ und seine Märchensammlung. Seit vielen Jahren verheiratet mit der Schriftstellerin Monika Helfer.