Zu den bereits erschienenen Bilinguen der Fabelsammlungen des Äsop, Phaedrus und Babrios treten zwei spätantike Sammlungen hinzu, deren Fabelversionen in Mittelalter und Neuzeit bekannter wurden als diejenigen der drei anderen, weil man sie im Gegensatz zu diesen kontinuierlich tradierte. Avians 42 Fabeln, in denen er aus den sonst eher kurzen Fabeltexten elegische Erzählungen nach der Art Ovids macht, wurden vom 9. bis 16. Jahrhundert über hundertmal abgeschrieben. Romulus fingiert, er ediere den ‘Aesopus Latinus’ – in Wirklichkeit sind seine Fabeln größtenteils Prosabearbeitungen von Phaedrusfabeln, die lange Zeit verschollen waren – und galt somit als so ‘authentisch’, dass er ein besonders reiches Nachleben hatte. Beide Sammlungen erschienen in der lateinisch-deutschen Editio princeps Heinrich Steinhöwels von 1476/77, die, in der frühen Neuzeit in 11 Sprachen übersetzt und als Druck ein Bestseller wie die Bibel, von Island bis Italien und von Mexiko bis Japan bekannt wurde. Beide Sammlungen, von denen die gesamte Fabeltradition der frühen Neuzeit in erster Linie abhängt, lagen bisher noch nicht Lateinisch–Deutsch vor. Sie ergänzen Äsop, Phaedrus und Babrios zu einer Gesamtausgabe der antiken Fabeln.
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Niklas Holzberg, München.