Kultur entsteht, »sooft Sprache, Bewegung, Verhalten oder Gegenstände eine gewisse Abweichung von der direktesten, nützlichsten, unengagiertesten Weise des Ausdrucks und des In-der-Welt-Seins zeigen«, wie Susan Sontag definiert. Homosexuelle, denen in einer heterosexuellen Umwelt ein solcher »direkter« Ausdruck verwehrt bleibt, sind deshalb auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, »Kultur« zu erschaffen, und sei es in Form der subkulturellen Umdeutung der heterosexuellen Mehrheitskultur. Ob Trash, Divenkult oder ernsthafte Identitätskunst: Schwule sind die Kulturschaffenden schlechthin, doch Halperin schreibt: »Homosexualität ist an die Schwulen vergeudet«, weil die stattdessen ihr Heil in einer farblosen Homonormativität suchen.
Halperin analysiert die Entwicklungslinien schwuler Kultur und Subkultur und hält ein geistreiches und oft witziges Plädoyer für offen gelebte Diversität, das nicht nur angepasste Schwule aufrütteln soll. Denn: »In gewisser Hinsicht ist Homosexualität Kultur. Deshalb braucht uns die Gesellschaft.«
About the author
David M. Halperin (Jg. 1952) war Distinguished W. H. Auden Professor für Sexualgeschichte und Sexualwissenschaft an der University of Michigan, außerdem Professor für Englisch und Frauenstudien. Er ist Autor oder Herausgeber von zehn Büchern, darunter ‘One Hundred Years of Homosexuality’ (1990), Saint Foucault (1995), ‘Gay Shame’ (2009) und ‘How To Be Gay’ (2012), dem der hier vorliegende Text entnommen ist. Er war Mitbegründer von ‘A Journal of Lesbian and Gay Studies’ (GLQ), deren Redaktion er von 1991 bis 2005 angehörte. Seit Juni 2021 ist er Professor emeritus. Halperin lebt in Ann Arbor und Paris.