Der Philosoph Aristoxenos von Tarent gilt als einer der einflussreichsten Musiktheoretiker der europäischen Geschichte. Seine Theorie des musikalischen Rhythmus, die nur fragmentarisch überliefert ist, steht in einem hochinteressanten Verhältnis zur Zeit-Theorie seines Lehrers Aristoteles. Von Aristoxenos, der nach einem antiken Lexikon angeblich 453 Bücher zu verschiedensten Themen verfasste, sind lediglich zwei musiktheoretische Schriften erhalten, die allerdings einen überragenden historischen Einfluss ausübten und mit denen er – in Absetzung von der rein mathematischen Musiktheorie des Pythagoras – die empirische Musikwissenschaft begründete. Dies gilt auch für die Rhythmustheorie: Noch für Platon etwa soll Musik in erster Linie der Unterstützung des sprachlichen Ausdrucks dienen, und entsprechend nebulös ist die Unterscheidung zwischen Metrik und Rhythmik. Erst Aristoxenos etabliert, indem er empirisch von der musikalischen Erfahrung ausgeht, eine klare musiktheoretische Begrifflichkeit. Dabei verfolgt er – so die These des Kommentars von Wolfgang Detel – das Ziel, seine Theorie der musikalischen Rhythmen terminologisch präzise in die Wissenschaftstheorie, Metaphysik und Zeit-Theorie seines Lehrers Aristoteles zu integrieren. Dieser Ansatz ist bis heute einzigartig: Und so sind die »Elementa rhythmica« weit mehr als die historisch früheste wissenschaftliche Darstellung des musikalischen Rhythmus, sondern beanspruchen vielmehr, Gesetze des Rhythmus aufzustellen, die in der Natur des Rhythmus selbst begründet und hierdurch universell gültig sind.
Über den Autor
Wolfgang Detel ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für antike Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M. Seine Forschungsschwerpunkte
liegen in der antiken Philosophie (insbesondere Platon und Aristoteles), Wissenschaftstheorie und Hermeneutik. In der »Philosophischen Bibliothek« hat er Aristoteles’
»Zweite Analytik« (Ph B 633) herausgegeben.