Die Zuwanderung nach Deutschland hat seit der Grenzöffnung im September 2015 eine neue Dimension erreicht. Aus in Auflösung begriffenen Staaten kommen überwiegend muslimische Migranten als ’neue Deutsche‘ in die Gesellschaft derer, ‚die schon länger hier leben‘ (Angela Merkel). Die Politik bietet Rhetorik und Durchhalteparolen – von der ‚Willkommenskultur‘ über ‚Wir schaffen das‘ bis zu ‚Fluchtursachen bekämpfen‘ –, hat aber weder ein schlüssiges Konzept für den Umgang mit den Flüchtlingsströmen noch für eine echte Integration der Zuwanderer. Bassam Tibi, selbst syrischer Migrant, analysiert sachorientiert und kundig die Faktenlage. Integration, so zeigt er auf, ist etwas anderes als ein Zurschaustellen von Fremdenliebe, verbunden mit Unterbringung, Alimentierung und Sprachkursen. Integration erfordert vor allem das Angebot einer inklusiven Bürgeridentität des Aufnahmelandes und einer Annahme dieses Angebots durch Neuankömmlinge – nur so kann sich ein sense of belonging einstellen, ein Zugehörigkeitsgefühl und eine Identifizierung mit der Aufnahmegesellschaft und ihren Werten. Doch spätestens an diesem essentiellen Punkt versagt die deutsche Migrationspolitik vollständig und mit katastrophalen Konsequenzen, und das nicht erst seit 2015. Viele hier lebende Muslime haben ein akutes Identitätsproblem – eine der Hauptursachen für religiöse Radikalisierung und Ablehnung der Aufnahmegesellschaft bis hin zu einer offen feindseligen Haltung ihr gegenüber. Tibi arbeitet eindringlich die Gefahren und Folgen heraus, die mit einem Scheitern des aktuell stattfindenden Großexperiments Zuwanderung verbunden sind, und bietet gleichzeitig eine scharfsinnige Analyse der Situation in den derzeit besonders problematischen Herkunftsstaaten.
Über den Autor
Bassam Tibi, Jahrgang 1944, wuchs in Damaskus auf und kam 1962 nach Deutschland, wo er Sozialwissenschaft, Philosophie und Geschichte studierte – unter anderem bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Mit 28 Jahren wurde er Professor für Internationale Beziehungen in Göttingen. Tibi lehrte und forschte auf allen fünf Kontinenten, u.a. an den Universitäten Harvard, Cornell, Berkeley und Yale, an der American University of Cairo sowie in Dakar, Yaoundé, Khartum, Jakarta und Singapur. 2016 wurde er in den Senat der von Helmut Schmidt ins Leben gerufenen Deutschen Nationalstiftung gewählt. Tibi gilt als Begründer der Islamologie und war und ist stets um die Förderung eines besseren Verständnisses des Islam bemüht, wofür ihm 1995 von Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen wurde. Er ist Mitinitiator der arabischen Organisation für Menschenrechte und prononcierter Vertreter des Aufklärungs-Islam.