Erzählungen aus dem Warschauer Getto und vom Leben auf der Flucht: Bogdan Wojdowskis Prosa kommt der Wirklichkeit des Nicht-Erzählbaren so nah wie kaum eine andere Literatur.
Was Bogdan Wojdowski in seinem Opus Magnum »Brot für die Toten« mit dem langen Atem des Romans entfaltet hat, verdichtet sich in den Erzählungen mit expressiver Energie. Die ersten sechs Erzählungen geben in knapper Konzentration Szenen aus dem Alltag des Warschauer Gettos wieder. Die letzte, breit ausgearbeitete Erzählung – »Der Weg« – handelt von der Flucht eines jüdischen Mädchens aus dem Getto ins Warschauer Umland. Stets in Gefahr, entdeckt und verraten zu werden, schlägt die Jugendliche sich durch, kämpft um ihr nacktes Überleben.
Wojdowski schrieb diese Erzählung auf der Grundlage eines authentischen Berichts – unter dem Eindruck der geschilderten Erlebnisse, die seinen eigenen sehr ähnlich waren. Er selbst war 1942 aus dem Warschauer Getto geflohen und hatte dank der Unterstützung durch mehrere Polinnen und Polen in Verstecken im Warschauer Umland überleben können.
Die Reihe »Bibliothek der polnischen Holocaustliteratur« stellt herausragende Werke einer essentiellen Erinnerung vor – teils in Neuauflagen bereits existierender Übersetzungen, teils in Erstübersetzungen. Der zweite Band der Reihe führt aus der Sphäre des Gettos in die Wirklichkeit des besetzten Polens, in dem jeder Quadratmeter ein Ort tödlicher Gefahr ist.
Über den Autor
Bogdan [eigtl. Dawid] Wojdowski wurde am 16. 11. 1930 in Warschau geboren. Ab November 1940 musste die Familie im Ghetto leben. Im August 1942 entkam Dawid mit seiner Schwester Irena dem Massenmord der »Aktion Reinhardt« durch Flucht. Die Eltern wurden in Treblinka ermordet. Er versteckte sich – nun als Bogdan – im »arischen« Teil Warschaus und in umliegenden Dörfern. 1949 legte er das Abitur ab, dann studierte er polnische Philologie. Sein schriftstellerisches Debüt, der Erzählband »Wakacje Hioba« (Hiobs Ferien), wurde von der Zensur kurz vor der Drucklegung blockiert. Jahre später erst – und nach gravierenden Eingriffen – konnte das Buch erscheinen (1962). 1971 erschien sein Opus Magnum, der Roman »Chleb rzucony umarlym« (Brot für die Toten), der als bedeutendstes Werk der polnischen Holocaustliteratur gilt.
Am 19. April 1994 nahm sich Bogdan Wojdowski in Warschau das Leben.
Ewa Czerwiakowski ist freie Publizistin und Übersetzerin. Sie befasst sich vorwiegend mit Zeitgeschichte und Holocaustliteratur.
Veröffentlichungen als Übersetzerin u. a.: Richard Glazar, »Die Falle mit dem grünen Zaun. Überleben in Treblinka« (2011); Filip Müller, »Sonderbehandlung« (2020).
Sascha Feuchert ist Professor für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Holocaust- und Lagerliteratur sowie ihre Didaktik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er leitet dort die Arbeitsstelle Holocaustliteratur.
Lothar Quinkenstein ist Übersetzer aus dem Polnischen, Schriftsteller, Hochschullehrer. Zusammen mit Lisa Palmes übersetzte er Olga Tokarczuks Roman »Die Jakobsbücher« (2019); zuletzt erschien seine Übersetzung von Olga Tokarczuks Erzählband »Die grünen Kinder. Bizarre Geschichten« (2020).