Die Gefahr für das Denken liegt heute nicht in dessen Bekämpfung, sondern in seiner Auflösung. Denn nichts ist dafür bedrohlicher als die Macht der Indifferenz. Die Macht, die in Opposition zum Denken steht, ist in autoritären Gesellschaften Realität, während in unseren Gesellschaften die Grenze zwischen Macht und Denken gefallen ist. Dies hat nicht zur Versöhnung geführt – zu einer Macht, die denkt – , sondern zur Entleerung von beidem: zur Situation der Anführungsstriche, zur Denkmacht, die weder Macht noch Denken ist, zu dem, was Jean Baudrillard als Simulation bezeichnet. Am Beispiel des Referendariats beschreibt die Autorin die buchstäbliche Verwirklichung des Simulationsprinzips: den Unsinn, den eine solche Denkmacht produziert einerseits, den Zwang, die Entleerung des Denkens als geglückte Versöhnung der Differenz zu verstehen, andererseits. Ein alltägliches Machtverhältnis wird so zur Parabel für die Gewalt der Indifferenz. Die Mischung von subjektivem Bericht und philosophischer Reflexion erweist sich als Anknüpfung an die antike Tradition, in der Leben und Denken noch nicht geschieden sind, sowie an die neuzeitliche Tradition der Essays von Michel de Montaigne.
Über den Autor
Peter Engelmann ist Philosoph, Herausgeber der französischen Philosophen der Postmoderne und der Dekonstruktion und Leiter des Passagen Verlages.