‚Sie ist kein bißchen dämonisch bemüht, alles geht wie von selber. Sie hat eine geradezu unschuldige Art zu verführen. Mag die Situation noch so bedenklich, mag ihr Kostüm noch so frech und herausfordernd sein, sie breitet über Kleid und Welt ihr holdes Lächeln. Darin ist nichts, was erobern oder erobert werden will. Es ist sanftmütig erregend und stillend zugleich. Es gilt nicht nur dem, den es trifft, so gut es auch für ihn paßt, es geht durch ihn hindurch, an ihm vorbei in die ganze Welt. Mit diesem Lächeln hat Marlene Dietrich Europa und Amerika erobert. Es ist in einem göttlicher und gemeiner als das all ihrer Rivalinnen.‘ Der von den Nazis verfemte und daraufhin lange vergessene jüdische Autor Franz Hessel, zentrale Gestalt unter anderem der Münchner Boheme zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und Wohngemeinschaftsgenosse der ‚Königin von Schwabing‘ Fanny Gräfin zu Reventlow, hat dieses frühe Porträt der einzigen deutschen Hollywoodschauspielerin von Weltruhm 1931 geschrieben, als der Stern der Dietrich gerade erst am aufgehen war. Trotzdem erfasst das schmale Bändchen das Wesen und den ganz eigenen verführerischen Zauber dieser Jahrhundertschauspielerin besser als so manche später erschienene dicke Schwarte. Dieser Text ist mehr als nur ein Zeitzeugnis der frühen Dietrich-Rezeption, er ist auch ein hellsichtiges Psychogramm und ein erkenntnisreicher filmästhetischer Essay über die Macht der bewegten Bilder in einem. Ein in sich selbst schon bezauberndes Büchlein, das es unbedingt wiederzuentdecken gilt.-
Über den Autor
Franz Hessel (1880–1941) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Lektor. Hessel zog nach dem Tod seines wohlhabenden Vaters, der Bankier gewesen war, mit Mutter und Bruder nach Berlin. Sein Bruder war der spätere Historiker Alfred Hessel. Hessel kam 1899 zum Jurastudium nach München. Er wechselte später zur Orientalistik, machte aber nie einen Universitätsabschluss. Das ererbte Vermögen ermöglichte es ihm, ohne Brotsorgen seinen literarischen Ambitionen nachzugehen. In München erhielt er Anschluss an den Kreis um Stefan George und lernte Fanny Gräfin zu Reventlow kennen. Mit ihr und ihrem Gefährten, Baron Bohdan von Suchocki, lebte er von 1903 bis 1906 in Schwabing. Diese Zeit ist Grundlage der Romane ‚Kramladen des Glücks‘ von Hessel und ‚Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem seltsamen Stadtteil‘ von Fanny zu Reventlow. Gemeinsam mit ihr verfasste Hessel mehrere Ausgaben des ‚Schwabinger Beobachters‘, der vor allem den Kreis um Stefan George parodierte. Von 1906 bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebte Hessel dann in Paris, wo er in den Künstlerkreisen von Montparnasse verkehrte, vor allem im berühmten Café du Dôme, in dem sich die ausländischen Künstler trafen. Aus dieser Zeit stammt seine Bekanntschaft mit dem französischen Kunsthändler und Schriftsteller Henri-Pierre Roché und der jungen Malerin Helen Grund, die er 1913 heiratete. Der Ehe entstammte der spätere Diplomat und Widerstandskämpfer Stéphane Hessel. Nach dem Krieg ließ sich die Familie in der Villa Heimat am Ortsrand von Schäftlarn südlich von München nieder. Im Jahr 1920, als seine Ehe bereits zerrüttet war, veröffentlichte Hessel den Roman ‚Pariser Romanze‘, in dem er seine Zeit in Paris und das Kennenlernen seiner Frau literarisch verarbeitete. In den zwanziger Jahren wohnte Hessel in Berlin und arbeitete als Lektor und Übersetzer im Rowohlt Verlag. Zusammen mit Lektor Paul Mayer und Verlagsinhaber Ernst Rowohlt präsidierte Hessel dessen Autorenabenden, an denen die bedeutendsten Schriftsteller der Zeit teilnahmen. Bekannt wurde er vor allem als Lyriker, Romancier und Prosaiker. Hessel blieb trotz Berufsverbot bis 1938 im nationalsozialistischen Deutschland weiterhin als Lektor im Rowohlt Verlag tätig. Wie Ernst von Salomon überliefert, blieb er in Deutschland, weil er sich dem Schicksal der deutschen Juden nicht entziehen wollte. Das Publizieren musste er in dieser Zeit zwar einstellen, jedoch übersetzte er die Werke Jules Romains‘. Schließlich folgte er dem Rat seiner Frau und seiner Freunde und emigrierte widerstrebend kurz vor dem Novemberpogrom 1938 nach Paris. Den Vormarsch der deutschen Besatzer fürchtend, übersiedelten Hessel und seine Familie in das südfranzösische Exilzentrum Sanary-sur-Mer. Bald darauf wurde er auf Veranlassung des französischen Innenministers gemeinsam mit seinem älteren Sohn Ulrich und vielen anderen Emigranten im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert. Der 60-jährige Hessel erlitt während des zweimonatigen Aufenthalts im Lager einen Schlaganfall und starb 1941 kurz nach seiner Entlassung an den Folgen der entbehrungsreichen Lagerhaft in Sanary-sur-Mer.