Dieser Band versammelt erstmals alle Rezensionen und Kritiken, die der bedeutende Kulturphilosoph und protestantische Theologe Ernst Troeltsch in den Jahren 1915 bis 1923 veröffentlichte. Er bietet einen faszinierenden Einblick in die „Werkstatt“ des führenden protestantischen Intellektuellen der klassischen Moderne.
Eindrucksvoll zeigen die Rezensionen Troeltschs Arbeit am eigenen Standpunkt zur Historismusproblematik noch vor seinem systematischen Hauptwerk „Der Historismus und seine Probleme“ (1922). Seine Beschäftigung mit sozialethischen, religionsphilosophischen, vor allem aber kultur- und geschichtsphilosophischen Werken spiegelt das Ringen des Berliner Kulturphilosophen um das Ideal einer historischen Kulturwissenschaft wider. Darüber hinaus wird Troeltschs Bestreben deutlich, angesichts dramatischer Krisenerfahrungen von Weltkrieg, Revolution und Inflation aus der Analyse der modernen Gesellschaft normative Orientierungen für das aktuelle Handeln zu gewinnen; dies zeigt sich u.a. in der kritischen Auseinandersetzung mit Georg Simmel, Walther Rathenau und Oswald Spengler. Hier wie in der Besprechung von Erich von Kahlers Manifest einer neuen Wissenschaft, das sich als Gegenentwurf zu Max Webers Position verstand, trat Troeltsch dem aufziehenden neuen Ideal einer antihistoristischen Wissenschaft konstruktiv entgegen und formulierte Umrisse seines Entwurfs einer modernen Kultursynthese.
Über den Autor
Friedrich Wilhelm Graf, Ludwig-Maximilians-Universität München.