Wem gehört die deutsche Geschichte?
Wir leben in turbulenten Zeiten, krisenhaften gar. Nicht nur in der Politik macht sich das Gefühl breit, eine Zeitenwende zu beobachten. Trotzdem oder gerade deshalb erfolgt immer wieder die Bezugnahme auf »die Geschichte«, werden daraus sich angeblich ergebende Lehren genannt. Auf der einen Seite scheint Geschichte als Ressource und Legitimität nie so nachgefragt wie derzeit, auf der anderen Seite fühlen sich nicht unerhebliche Teile der deutschen Gesellschaft in der bundesdeutschen Gedächtnispolitik marginalisiert.
Die in diesem Band versammelten Essays ergeben ein Mosaik der deutschen Erinnerungslandschaft der Berliner Republik und der großen Debatten, die um sie geführt werden.
Mit Beiträgen von Eckart Conze, Hajo Funke, Efsun Kızılay, Meron Mendel, Dirk Moses, Michael Rothberg, Ilko-Sascha Kowalczuk, Franziska Davies, Sonja Hegasy u. v. m
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erinnerungskämpfe. Wem gehört die deutsche Geschichte?
JÜRGEN ZIMMERER
Danksagung
Das Kaiserreich und deutsche Kontinuitäten
Neuer Streit um Bismarck und ein altes Feindbild im Streit ums Kaiserreich
CHRISTOPH NONN
Der Völkermord an den Herero und Nama und die deutsche Geschichte
JÜRGEN ZIMMERER
›Fischer Reloaded?‹ Der neue Streit ums alte Kaiserreich
ECKART CONZE
Streit in Zeiten der Pandemie: Die Auseinandersetzung um das Verhältnis der Hohenzollern zum Nationalsozialismus
THOMAS WEBER
Nationalsozialismus / Zweiter Weltkrieg
Marginalisiert, unsichtbar? Der Kampf um die Anerkennung der vergessenen Opfer des ›Dritten Reiches‹
BODIE A. ASHTON
Vernichtungskrieg und deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg: Von Sagbarkeitsregimen, Meistererzählungen und erinnerungspolitischen Fehlstellen
TATJANA TÖNSMEYER
Der ›vergessene Osten‹: Der deutsche Vernichtungskrieg gegen Polen und die Sowjetunion und die blinden Flecken der deutschen Erinnerung
FRANZISKA DAVIES
Der Krieg und die Geschichte: Russland, die Ukraine und das Problem des historischen Vergleichs
DIETER POHL / THOMAS SANDKÜHLER
Holocaust und multidirektionale Erinnerung
Gelebte Multidirektionalität: Der »Historikerstreit 2.0« und die Politiken der Holocausterinnerung
MICHAEL ROTHBERG
Die Katechismen des Aktivismus. Die Bedeutung Israels im »Historikerstreit 2.0«
MERON MENDEL
»Die deutsche Debatte ist von Obsessionen geprägt«: Erinnerungsräumliche Betrachtungen zum Katechismus der Deutschen
A. DIRK MOSES
Hermeneutische Schikanen: Wie jüdisch-arabische und arabisch-jüdische Solidarität untergraben wird
SONJA HEGASY
Der Streit um Achille Mbembe und die Frage der Deutungshoheit über die Geschichte
HAJO FUNKE
Der zurückfliegende Bumerang. Die documenta fifteen, deutsche Debatten und Leerstellen
HANN O HAUENSTEIN / EYAL WEIZMAN
DDR/BRD/Wiedervereinigung
Der Kampf um die Zukunft: Die DDR-Geschichte im Widerstreit der Interessen
ILKO-SASCHA KOWALCZUK
Die DDR als Migrationsgesellschaft und die rassistische Gewalt der »Baseballschlägerjahre« in Ostdeutschland: Der Weg in die Berliner Republik
KATHARINA WARDA / PATRICE G. POUTRUS
Leerstellen der Erinnerung: ›Gastarbeiter:innen‹ in der Bundesrepublik
LISA HASSLER
Berlin ist nicht Bonn ist nicht Weimar. Die deutschen Republiken im politischen Deutungskampf
CLAUDIA C. GATZKA
Die Berliner Republik. Marginalisierungen und neue Meistererzählungen
»Unter die Deutschen gefallen«. Schwarze deutsche Identität und der literarische Kampf um Anerkennung
CHIEDOZIE MICHAEL UHUEGBU
Wem gehört die ›Leitkultur‹? Islamdebatten und Almanyas verborgene Erinnerungen
OZAN ZAKARIYA KESKINKILIÇ
Vom »Vogelschiss«, Bismarck und deutschen Opfern: Die Neue Rechte und der Kampf um die deutsche Erinnerungskultur
SOPHIE SCHMALENBERGER
Mölln, NSU, Halle, Hanau – Rechtsterror, Kontinuität und deutsche (Nicht-)Erinnerung
EFSUN KIZILAY
Zwischen Nation und Staatenverbund: Historische Europadiskurse und die Krisen des frühen 21. Jahrhunderts
FRANK JACOB
Autorinnen und Autoren
Über den Autor
Jürgen Zimmerer, geb. 1965, ist Professor für Globalgeschichte und Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg. Zuletzt erschien sein Buch ‚Von Windhuk nach Ausschwitz? Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust‘.