Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Es war, als wolle der Sommer sich noch schier verschwenden, bevor er sein Regiment an den Herbst abgab, der kalendermäßig nach einer Woche seinen Einzug halten sollte. Im Park blühte es üppig auf Beeten und Sträuchern, und die Bäume zeigten noch kein buntes Blatt. Knistertrocken und ährenschwer hatten die Landwirte das Korn bergen können, und auch die Heuernte war so gut gewesen wie schon seit Jahren nicht mehr. Jetzt konnte man an die Hackfrüchte herangehen, die gleichfalls prächtig gediehen waren. Das Obst, in der Sonne gar herrlich gereift, wartete nur darauf, von emsigen Händen gepflückt zu werden – also gab es in der Landwirtschaft immer noch alle Hände voll zu tun, aber man war auch mit Lust und Liebe dabei, zumal keine längere Regenperiode die mühsame Erntearbeit erschwerte. Es hatte immer gerade nur so viel geregnet, um die lechzende Natur mit köstlichem Naß zu erquicken. Daher konnte man mit Fug und Recht von einem gottgesegneten Jahr sprechen, wie es soeben die Dame tat, die einer anderen am Doppelschreibtisch gegenübersaß. Man sah es dem Möbel an, daß ernstlich an ihm gearbeitet wurde, denn es häuften sich auf ihm Kontobücher, Akten, Listen und allerlei lose Papiere. Es war gar nicht so einfach, sich da zurechtzufinden, doch die Dame, die das alles zu bewältigen hatte, konnte es mit sicherem Griff. Jetzt hob sie den Kopf von einem mächtigen Journal und sah ihr Gegenüber mit frohen Augen an. »Tante Hermine, ich kann dir die freudige Mitteilung machen, daß ich bereits ein ganz nettes Haben verbuchen durfte. Noch einige so gottgesegnete Jahre – und wir können Geld scheffeln.« »Von wegen scheffeln«, lachte die andere bitter auf. »Daß es nicht dazu kommt, dafür wird schon der da sorgen…« Damit reichte sie ein Schreiben hinüber, das Brunhild von Reichwart betroffen las. Das Gesicht mit den blühenden Farben erblaßte. »Dann allerdings! Ist der Junge denn ganz von Gott verlassen?« »Nein, aber von der Leidenschaft besessen.
Über den Autor
Ihre 70 Romane sind berühmt. Sie werden von einem vielfachen Millionenpublikum gelesen. Leni Behrendt versteht sich wie kaum eine andere in die Herzen der Menschen zu schreiben. Ihr Werk vermittelt unendlich viel Liebe und Güte. Als Schriftstellerin ist sie ein wahres Naturtalent. Mit ihrer bewusst schlichten und damit authentischen Sprache findet sie Anklang und Beifall auch von Seiten der Literaturwissenschaft. Eines ihrer Erfolgsgeheimnisse liegt darin, dass für jeden ihrer mitreißenden Romane Bilder und Begebenheiten aus ihrem eigenen schicksalhaften Leben erwachsen sind.
Als Privatlehrerin gewann die in Insterburg / Ostpreußen geborene Leni Behrendt schon früh einen tiefen Einblick in die adlige Gesellschaft. In vielen ihrer Romane spiegeln sich die Bilder unserer Welt wider. Aus den Erlebnissen stammt die Glaubwürdigkeit ihrer bewundernswerten Moral. Mit großem, sicherem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe, besonders eindrucksvoll schildert sie die liebende Frau.
Die Romane der Leni Behrendt vermitteln die Botschaft einer tiefen Wahrhaftigkeit. Eben dieser Wert ist heute mehr gefragt denn je.