Platon hat Sokrates, der bekanntlich selbst nichts geschrieben hat, seine Stimme geliehen, aber natürlich nicht so, daß er dessen Gespräche auf dem Marktplatz wörtlich wiedergegeben hätte – und das nicht, weil er noch kein Tonbandgerät zur Verfügung hatte, sondern die schriftliche Fixierung philosophischen Denkens auch literarischer Gestaltung bedarf.
Philosophieren in genuin systematischer Absicht ist etwas sehr anderes als das Geschäft eines Historikers oder gar Philologen, was aber, das wäre das nächste Mißverständnis, um »Gotteswillen« nicht heißt, der systematisch Philosophierende hätte oder bräuchte sich nicht um die Geschichte seines Tuns zu kümmern – das wäre angesichts der mehr als zweieinhalb Jahrtausende, in denen es bis dato währt, ein geradezu selbstmörderisches Unterfangen.
Der Dialog/ das Streitgespräch ist nach der Standardform der wissenschaftlichen Abhandlung die, wenn auch statistisch in erheblichem Abstand auf Platz zwei rangierende Form. Die sieht im vorliegenden Fall so aus, daß auch die Dialogform selbst im gesamten Bogen von konfrontativ qua advocata diaboli bis zu einvernehmlicher Fortentwicklung des Gedankens variiert, teils auch so, dass die klassische Form des fortlaufenden Wechsels der Diskutierenden verlassen und durch das gemeinsame »wir« ersetzt wird.
Über den Autor
Prof. Dr. Manfred Wetzel lehrte Soziologie an der Hamburger Universität für Wissenschaft und Politik und Philosophie an der FU Berlin. Seit 2001 erscheinen alle seine Bücher bei K&N.
Dr. phil. Nadine Schumann ist seit 2021 interdisziplinär tätig als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Informatik der Universität Leipzig.