Die Studie untersucht das in den tatarischen Transformationsdiskursen von der Nationalbewegung propagierte Modell ‚Nation als ethnische Gemeinschaft‘. Insbesondere widmet sie sich den Fragen, inwieweit dieses Modell geeignet war, der Rekonstituierung von staatlichen Institutionen den Weg zu bereiten und in welcher Weise die politische Elite die ethnische Mobilisierung der Tataren als Mittel ihrer Herrschaftssicherung einsetzte. Der für eine gedeihliche Entwicklung notwendige inter-ethnische Frieden in einer Republik, in der Tataren und Russen zu etwa gleichen Anteilen insgesamt mehr als 90 Prozent der Bevölkerung stellen, wäre ohne Konzessionen an die russische Bevölkerung nicht zu erreichen gewesen. Nicht zuletzt deshalb propagierte die von Tataren dominierte politische Elite das Konzept ‚multi-ethnische tatarstanische Nation‘. Aufgezeigt wird der Widerspruch zwischen diesem in der Verfassung verankerten Modell von Nation und der politischen Praxis, die eine merkbare Tatarisierung der Gesellschaft bewirkte. Weiter geht es um die Frage, welche Bedeutung die tatarische Bevölkerung der ethnischen Mobilisierung zumaß sowie ob und in welchem Maße sie eine Rückkehr zu ethnisch-nationalen Werten vollzog. Last but not least wird der Versuch unternommen, die Marker tatarischer nationaler Identität (Sprache, Religion usw.) zu gewichten.
Über den Autor
Dr. Marlies Bilz absolvierte eine Ausbildung zur Beamtin im gehobenen Dienst bei der Hansestadt Lübeck, war 1989-1992 Kanzlerin der Musikhochschule Lübeck und studierte danach Slawistik und Geschichte an der Universität Hamburg. Der Vorwortautor:Dr. Frank Golczewski ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Hamburg.