Zumeist wird dem Neuplatonismus eine politische Philosophie abgesprochen. Die vorliegende Studie zeigt anhand von Einzeluntersuchungen zu Plotin, Jamblich, Themistios und Kaiser Julian, dass Freundschaft der Zentralbegriff der neuplatonischen politischen Philosophie ist.
Der neuplatonische Freundschaftsbegriff umfasst nicht nur wie in der klassischen antiken oder hellenistischen Philosophie alle Bereiche des politischen und sozialen Lebens, sondern ist ausgedehnt auf die Grundstruktur des Kosmos und die metaphysischen Prinzipien. Der politisch-soziale Freundschaftsbegriff ist eingebettet in die Metaphysik vom Hervorgang aus dem Einen und Guten und der Rückwendung zu diesem. Entsprechend kann man zwei Arten von politisch-sozialer Freundschaft unterscheiden: Die eine Art spielt sich zwischen den aus Leib und Seele zusammengesetzten Individuen in der politischen Sphäre ab; die andere beschreibt das Verhältnis zu anderen Menschen, insofern als sich das Individuum praktisch und theoretisch zu seinem Wesen, dem rationalen Seelenteil, verhält. Entsprechend gibt es zwei Arten von Politik, eine ‚Stadt der Götter‘ und eine ‚Stadt der Menschen‘, die beide – idealerweise – als Urbild und Abbild in Freundschaft aufeinander bezogen sind.
Über den Autor
Michael Schramm, Universität Leipzig.