Der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) zählte zu den wichtigsten Institutionen des nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungsapparates und blieb dennoch lange Zeit weitgehend unerforscht. Ein Grund dafür ist darin zu sehen, daß der SD im Laufe seiner Existenz von 1931 bis 1945 einem steten Funktionswandel unterlag, der sein Profil und seine Bedeutung nur schwer analytisch fassen läßt.
1931 als Nachrichtendienst geschaffen, um den politischen Gegner auszuspionieren, verwandelte sich der SD nach der Machtübernahme 1933 in eine Institution des Terrors. Zugleich bildete er den weltanschaulichen Kern, die politische Elite innerhalb des SS- und Polizeiapparates, um das Ziel, eine neue, allumfassende, auf ‚rassische Generalprävention‘ orientierte Sicherheitspolizei zu erreichen. Konsequent firmierten die Einsatzgruppen, die in den besetzten Ländern den rassistischen Generalplan durch Massenmord verwirklichten, als SD-Einheiten.
Erstmals vereinigt dieser Band neue Studien zum SD von überwiegend jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Rolle und Politik des SD im NS-Regime untersuchen:
– George Browder: Die frühe Entwicklung des SD
– Christian Ingrao: Kriegskultur, nazistische Bilder, genozidale Gewalt. Zum Weltbild der SD-Funktionäre
– Carsten Schreiber: Eine verschworene Gemeinschaft. Regionale Verfolgungsnetzwerke des SD in Sachsen
– Wolfgang Dierker: Die Religionspolitik des SD 1933-1941
– Joachim Lerchenmüller: Die ‚SD-mäßige‘ Bearbeitung der Geschichtswissenschaft
– Gerd Simon: Germanistik und Sicherheitsdienst
– Jürgen Matthäus: Das Judenbild des SD 1934-1939
– Jörg Rudolph: Das Amt VII im RSHA
– Katrin Paehler: Der SD-Ausland in Italien
– Andrej Angrick: Otto Ohlendorf und die SD-Tätigkeit der Einsatzgruppe D
– Ruth Bettina Birn: Kollaboration und Mittäterschaft
– Klaus-Michael Mallmann: Das Unternehmen ‚Zeppelin‘ 1942-1945
– Lutz Hachmeister: Die Rolle des SD-Personals in der Nachkriegszeit.
Inhaltsverzeichnis
Michael Wildt: Einleitung
George C. Browder: Die frühe Entwicklung des SD. Das Entstehen multipler institutioneller Identitäten
Carsten Schreiber: ‚Eine verschworene Gemeinschaft‘. Regionale Verfolgungsnetzwerke des SD in Sachsen
Wolfgang Dierker: ‚Niemals Jesuiten, niemals Sektierer‘. Die Religionspolitik des SD 1933–1941
Jürgen Matthäus: Konzept als Kalkül. Das Judenbild des SD 1934–1939
Christian Ingrao: Deutsche Studenten, Erinnerung an den Krieg und nationalsozialistische Militanz. Eine Fallstudie
Joachim Lerchenmueller: Die ›SD-mäßige‹ Bearbeitung der Geschichtswissenschaft
Gerd Simon: Germanistik und Sicherheitsdienst
Jörg Rudolph: ‚Sämtliche Sendungen sind zu richten an: …‘. Das RSHA-Amt VII ‚Weltanschauliche Forschung und Auswertung‘ als Sammelstelle erbeuteter Archive und Bibliotheken
Katrin Paehler: Ein Spiegel seiner selbst. Der SD-Ausland in Italien.
Andrej Angrick: Otto Ohlendorf und die SD-Tätigkeit der Einsatzgruppe D
Ruth Bettina Birn: Kollaboration und Mittäterschaft. Die Inkorporierung von einheimischem Personal in die Sicherheitspolizei in den besetzten Ostgebieten
Klaus-Michael Mallmann: Der Krieg im Dunkeln. Das Unternehmen ‚Zeppelin‘ 1942-1945
Lutz Hachmeister: Die Rolle des SD-Personals in der Nachkriegszeit. Zur nationalsozialistischen Durchdringung der Bundesrepublik
Abkürzungen
Personenregister
Über den Autor
Michael Wildt ist Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt in der Zeit des Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 1997 bis 2008 arbeitete er als Wissenschaftler am Hamburger Institut für Sozialforschung und war 2001/2002 Research Fellow am International Institute for Holocaust Research in Yad Vashem, Jerusalem. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Zeitgeschichte in München, des Editorial Board der ‚Yad Vashem Studies‘ und von ‚Central European History‘ sowie Mitherausgeber der Zeitschriften Werkstatt Geschichte und Historische Anthropologie.