Sebastian Castellio (1515−1563) gilt neben Erasmus von Rotterdam als einer der großen Humanisten des 16. Jahrhunderts. Entschiedener noch als Erasmus vertrat er ein Menschenbild, das an die Freiheit des Denkens und an die Kraft der Vernunft des Menschen glaubte. Dass er mit dieser Überzeugung nicht zurückhielt, sondern öffentlich dafür kämpfte, indem er sich gegen die sklavische Unterwerfung unter kirchliche Dogmen und die Verfolgung Andersdenkender wandte, sollte ihm zum Verhängnis werden.
Die Amsterdamer Kirchenhistorikerin Mirjam van Veen beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Zeit der Reformation, insbesondere mit Sebastian Castellio und seinem Freundeskreis. In ihrer 2012 erschienenen Biographie über Castellio beschreibt sie ihn als einen Anwalt der Zweifelnden gegenüber den «Betonköpfen» der Dogmatiker, als einen, der seiner Zeit weit voraus war und deshalb zum Schweigen gebracht wurde, und als einen Vorläufer der Aufklärung, dessen «Kunst des Zweifelns» heute aktueller ist denn je.
Über den Autor
Mirjam van Veen ist Professorin für Kirchengeschichte an der Freien Universität in Amsterdam. Ihr besonderes Interesse gilt der frühen Neuzeit, insbesondere der Reformation und ihren radikalen Vertretern im 16. Jahrhundert.