‚Peter Altenberg ist ein Genie der Nichtigkeiten, ein seltsamer Idealist, der die Schönheiten der Welt wie Zigarettenstummel in den Aschenbechern der Kaffeehäuser findet.‘ Franz Kafka Peter Altenberg zählt zu jenen Autoren, die, wie er selbst einmal sagte, das Ideale nicht im Vollkommenen suchen, sondern es im (vermeintlich) Unvollkommenen, Alltäglichen, millionenfach Gesehenen finden, um es in der dichterischen Anschauung neu und gleichsam ‚wirklich‘ zu erschaffen: die Anmut der Frau, einen japanischen Apfelbaum, einen Schlehdornzweig, das Reich der verlorenen Kindheit, die belanglosen Plaudereien eines kleinen Mädchens. Mal in heiter-selbstironischem, mal in liebevoll-gerührtem Ton werden ihm diese liebenswürdigen ‚Nichtigkeiten‘ zu ‚Bilderbögen des kleinen Lebens‘, deren Reiz neben der sprachlichen Schönheit der Lebensbildnisse darin liegt, dass sie das autobiographische Vermächtnis eines unvoreingenommen und mutigen Menschen sind, der sich dem Leben in allen seinen Erscheinungsformen ganz überließ. Bereits zu Lebzeiten ist Peter Altenberg ein legendärer Vertreter der klassischen Wiener Kaffeehausliteratur und dennoch sind seine ironischen Aphorismen und verspielt-melancholischen Prosaskizzen alles andere als leichtfertig hingeworfene ‚Sprachhäppchen‘. Mit kurzen kräftigen Pinselstrichen porträtiert Altenberg in ihnen die Extrakte flüchtiger Lebensaugenblicke – zufällig mitgehörte Gesprächsfetzen und philosophische Gedankensplitter, augenblickliche Stimmungslagen, vorüberziehende Gerüche und Farben – zu einer künstlerischen Gesamtschau, in der sich nicht nur das politische und kulturelle Panorama der untergehenden Wiener Moderne, sondern das Leben selbst in einer poetischen Momentaufnahme konzentriert. Im vorliegenden Band sind in Auswahl versammelt: Wie ich es sehe, Was der Tag mir zuträgt, Pròdromos, Märchen des Lebens, Bilderbögen des kleinen Lebens, Neues Altes, Semmering 1912, Fechsung, Nachfechsung, Vita ipsa, Mein Lebensabend.
Über den Autor
Peter Altenberg (1859 – 1919), mit eigentlichem Namen Richard Engländer, war Spross einer wohlhabenden jüdischen Familie. Nach dem Scheitern einer ‚bürgerlichen Karriere‘ – Altenberg brach sein Medizin- und Jurastudium sowie eine Buchhändlerlehre ab – konnte er sich infolge einer von einem Nervenarzt attestierten ‚Überempfindlichkeit des Nervensystems‘ ganz dem Schreiben widmen, war allerdings zeitlebens auf die finanzielle Unterstützung seiner Schriftstellerfreunde Karl Kraus, Arthur Schnitzler, Egon Friedell u. A. angewiesen. Trotz literarischer Erfolge führte Altenberg ein gebrochenes, von Krankheit und Alkoholismus gezeichnetes Leben. Seine letzten zehn Lebensjahre verbrachte er größtenteils in Nervenheilanstalten.