Schäfer, der alkoholkranke Baubrigadier, macht sich auf eine Grenzerfahrung hin auf Sinnsuche. In den Konflikten der DDR-Endzeit dennoch suchtrückfällig geworden, fällt: sein zerstörerischer Angriff auf die Werkausstellung Maler Janssens, in der er sich als sozialistischer Arbeiter-Sieger dargestellt findet, mit den »Wir-sind-das-Volk«-Rufen der sich erhebenden Massen zusammen. Von den Vorgängen betroffen alle Romanfiguren, die in widersprüchlichem Beziehungsgeflecht noch ansässig sind im großstädtischen Rekonstruktions-Wohngebiet Brühl. Ein Neues steht nur bevor: der Aufbruch in eine andere Welt. – Eine Fata Morgana des Überflusses lockt den Zug der Blinden in Janssens gleichnamigen Tafelbild an. Werden die Leute vom Brühl im Neuen auch mit Herzen und Seelen ankommen?
LESEPROBE:
Er wollte lesen und konnte sich nicht konzentrieren. Mit dem Gedruckten vermengten sich ihm Gesichter: die Bekannten vom Brühl. Das der Didoni und Schäfers waren darunter. In einem Gedankenblitz legte er das Buch beiseite. In einem Einfall, für den er sich auch schon entschied. Ihm wurde verübelt und vorgehalten – noch hörte er Elviera Schäfer mit »Bedenkliches« malerisch quasi abgeurteilt zu haben; also wollte er ihn als den gestalten, den die Gesellschaft, besser ihre selbst ernannten Repräsentanten wünschten und wahrhaben wollten: als den sozialistischen Musterarbeiter! – Nein, hielt er entgegen: Es passte nicht zu dem Fresko, wie er es wollte: frei von Parteiideologie. Indes, dachte er weiter: Er konnte solchen jenen Muster – Schäfer gesondert kreieren – so wie auch andere des Metiers ihren Arbeitsheroen ins bildnerische Dasein verhalfen – von in Öl bis Guasche – und dafür Preise einheimsten. Warum sollte nicht auch er s auf der Schiene noch einmal versuchen! Zumal als sich so, kam’s ihm ein, vielleicht auch noch der Schäfer versöhnen und trösten ließ, der mit seinen eigenen Malambitionen, den unglaublichen, von ihm verprellt worden war.
Noch einmal zog der Abend durch seinen Geist. Als er den andern im Malraum sitzen sah, dachte er zunächst in falsche Richtung. Damals im Café beim Klaren hatte er ihn eingeladen gehabt – wenngleich nicht in den Zirkel -; jetzt also, folgerte er, war der doch noch gekommen – woher übrigens wusste er, ihn hier zu treffen?! Was er nicht begriffen hatte war Schäfers Bestürzung – eine die anhielt, bis Kießling meinte, sie einander vorstellen zu müssen.
Über den Autor
Peter Löw
Geboren 1941 in Mittweida/Sachsen, drei Kinder, lebt in Mittweida.
Fernmeldebaumonteur und Hobby-Schreiber, Kurzprosa in der Presse und Mitarbeit in einem Zirkel Schreibender, verantwortlicher Redakteur der Monatszeitschrift ‚PODIUM‘ in Karl-Marx-Stadt.
Studium am Literaturinstitut in Leipzig, Leiter zweier Zirkel Schreibender, Kulturpolitischer Mitarbeiter in Hainichen.
Pressesprecher und persönlicher Referent des Landkreises Mittweida, Sicherheitsmitarbeiter und Eigen-Verleger.
Bibliografie:
Erzählungen und Kurzgeschichten in Zeitschriften, z. B. in ‚Temperamente‘
Hörspiele für den DDR-Rundfunk, z. B. ‚Das Duell‘ (3. Preis eines DDR-Kurzhörspielwettbewerbs), ‚Bilanz im Kneipenkeller‘ (verfilmt)
Der Schwarze Jäger aus Sachsen, Berlin 1983
Krell – im Sog der Macht, Mittweida 2002
Der Zug der Blinden, Mittweida 2005