Die Gegenüberstellung von „qualitativ“ und „quantitativ“, welche als zentrale Leitdifferenz die Auseinandersetzung in der empirischen Sozialforschung wesentlich bestimmt, erscheint methodologisch wenig begründet. Zentrale Differenzen lassen sich eher mit der Gegenüberstellung von rekonstruktiven und standardisierten Verfahren fassen.
Das Buch stellt drei Wege rekonstruktiver Sozialforschung mit ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten vor: das Narrative Interview, die Objektive Hermeneutik und vor allem die Dokumentarische Methode.
Es werden grundlegende Anforderungen diskutiert, welche an Methodologie und Forschungspraxis rekonstruktiver Sozialforschung zu stellen sind. Im Zentrum steht die vom Verfasser selbst entwickelte Dokumentarische Methode in ihren methodologischen Grundlagen und forschungspraktischen Verfahrensweisen im Bereich der Textinterpretation (insbesondere der Gesprächsanalyse und Gruppendiskussion) sowie der Bild- und Videointerpretation.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur zehnten Auflage 9
1. Einleitung 13
2. Rekonstruktive Verfahren in der empirischen Sozialforschung im Unterschied zu hypothesenprüfenden Verfahren 17
2.1 Zur Methodologie hypothesenprüfender Verfahren 18
2.2 Zur Kritik an den hypothesenprüfenden Verfahren 21
2.3 Zur Methodologie rekonstruktiver Verfahren 24
2.4 Zur Rekonstruktion der Rekonstruktion 28
3. Dokumentarische Methode 35
3.1 Zur Forschungspraxis der dokumentarischen Methode 35
3.2 Zur Methodologie dokumentarischer Interpretation 60
Der prekäre Charakter alltäglicher Verständigung: Beiträge der Ethnomethodologie 60
Verstehen und Interpretieren: konjunktive und kommunikative Erfahrung 62
Konjunktive Erfahrung und Kollektivität 64
„Einklammerung des Geltungscharakters“ und Reflexion 67
Zur Analyse von biographischen Interviews, Protokollen und Fachtexten 69
Habitualisierte Stile und intendierte Ausdrucksstile 70
Konjunktion und Distinktion 71
4. Objektive Hermeneutik 73
4.1 Zur Verfahrensweise der objektiven Hermeneutik 77
4.2 Zur Rekonstruktion der Methode der objektiven Hermeneutik 83
5. Zu einigen Unterschieden von dokumentarischer Methode und objektiver Hermeneutik 87
6. Narratives Interview 95
6.1 Zu den erzähltheoretischen Grundlagen des narrativen Interviews 96
6.2 Zu den biographietheoretischen Grundlagen des narrativen Interviews 100
7. Gruppendiskussionsverfahren und Gesprächsanalyse 109
7.1 Gruppendiskussionsverfahren und Milieuforschung 109
7.2 Unterschiede von Gruppendiskussion und narrativem Interview 117
7.3 Exkurs: Die Gesprächsanalyse der dokumentarischen Methode im Kontext soziolinguistischer Verfahren 125
Das Gespräch als ein sich selbst steuerndes System 125
Im Gespräch werden konjunktive Erfahrungsräume aktualisiert 125
Parallelen der dokumentarischen Gesprächsanalyse zur Kontextualisierungs-Analyse 126
Zur Dramaturgie des Diskurses in der dokumentarischen Gesprächsanalyse: Fokussierungsmetaphern 127
Zur Diskursorganisation in der dokumentarischen Gesprächsanalyse 128
Diskursbewegungen und Diskurseinheiten 128
Differenzen zwischen der dokumentarischen Gesprächsanalyse und der Gesprächsanalyse bei Goffman 130
„Gemeinsames Sprechen“ in der soziolinguistischen Gesprächsanalyse und kollektive
Orientierungen in der dokumentarischen Gesprächsanalyse 130
„Speech Communities“, „Communities of Practice“ und konjunktive Erfahrungsräume 131
8. Verstehen – Interpretieren – Typenbildung 133
8.1 Arbeitsschritte der Textinterpretation 138
Formulierende Interpretation 138
Reflektierende Interpretation 139
Fallbeschreibung 143
Typenbildung 145
8.2 Typenbildung als Prozessanalyse 148
8.3 Soziogenetische, sinngenetische und kausalgenetische Typenbildung 154
9. Qualitative Verfahren der Bildinterpretation und dokumentarische Methode 159
Die Marginalisierung des Bildes in den qualitativen Methoden 159
Verständigung durch das Bild versus Verständigung über das Bild 160
Ikonologie und dokumentarische Methode 162
Abbildende und abgebildete Bildproduzent(inn)en 164
Ikonik und dokumentarische Methode 164
Korrespondenz zwischen wichtigen Methodologien der Bildinterpretation 166
Die , Einklammerung‘ des ikonografischen bzw. konnotativen Sinngehalts 166
Zur Rekonstruktion der formalen Bildkomposition 170
Sequenzanalyse versus Kompositionsvariation 172
Atheoretisches Wissen und dokumentarische Methode 173
10. Dokumentarische Video- und Filminterpretation 177
Grundlagen der Video- und Fiminterpretation 178
Der Zugang zum impliziten Wissen und zur Eigenlogik des Visuellen 180
Die korportierten Praktiken der abgebildeten Bildproduzent(inn)en 181
Die Gestaltungsleistungen der abbildenden Bildproduzent(inn)en: Einstellung und Montage 185
Relationierung von Relationen als Prinzip dokumentarischer Interpretation 189
11. Aspekthaftigkeit, Standortgebundenheit und Gültigkeit der Interpretation 193
12. Praxeologische Methodologie 207
Die umfassende Verankerung der wissenschaftlichen Erkenntnis in der sozialen Praxis 208
Implizites Wissen und die Paradigmenabhängigkeit der Erkenntnis 211
Implizites Wissen als Fehlerquelle und als unabdingbare Voraussetzung für Erkenntnis 212
Das Modell der Textinterpretation, die Generierung von Erkenntnis und die Kontrolle des Vorwissens 214
Zwei Wege der Erkenntnisgenerierung: „Abduktion“ und „qualitative Induktion“ 217
Erkenntnisgenerierende Forschungsstile und die komparative Analyse 218
13. Anhang 227
13.1 Reflexive Prinzipien der Initiierung und Leitung von Gruppendiskussionen 227
Gruppendiskussionen als methodisch kontrollierte Verschränkung zweier Diskurse 227
Beispiele der Initiierung und Leitung von Gruppendiskussionen 231
13.2 Exemplarische Interpretation einer Textpassage 232
Transkript der Passage: Differenzierungsstunde 233
Formulierende Interpretation 240
Reflektierende Interpretation 241
Zusammenfassung einiger zentraler Rahmenkomponenten des Tischgesprächs 254
13.3 Richtlinien der Transkription von Texten: Ti Q 255
13.4 Exemplarische Bildinterpretationen 257
Exemplarische Bildinterpretation I 258
Exemplarische Bildinterpretation II 269
13.5 Prinzipien der Videotranskription und das System Mo Vi Q 278
Interpretation, Transkription und Protokoll 278
Das Transkriptionssystem Mo Vi Q 279
13.6 Arbeitsschritte dokumentarischer Video- und Filminterpretation 281
Zur Auswahl der für die Interpretation relevanten Sequenzen und Fotogramme 282
Überblick über die Arbeitsschritte im Ablauf 284
Arbeitsschritte im Bereich von Videos und Filmen als Eigenprodukte der Erforschten 284
Arbeitsschritte im Bereich von Videos als Erhebungsinstrument 285
Literaturverzeichnis 287
Sachregister 315
Über den Autor
Ralf Bohnsack, Dr. rer. soc., Dr. phil. habil., Dipl. Soz., ist emeritierter Universitätsprofessor a. D. der Freien Universität Berlin.