Das Märchen vom eigensinnigen Kind ist kurz und schrecklich, und illustriert mit seltener Brutalität, was mit Kindern geschieht, die ›nicht tun, was ihre Mütter haben wollen‹. Damit ist es – so die beiden Literaturwissenschaftler_innen Wolfram Ette und Karin Nungeßer – ein sehr deutsches Märchen. Ausgehend vom Grimm’schen Text erkunden sie, was Eigensinn ist und welche Konsequenzen seine Unterdrückung hat. Dabei geht es auch um die Frage historischer Kontinuitäten und transgenerationaler Weitergaben. Welche Spuren zeitigen der Nationalsozialismus und die Erziehungsratgeber von Johanna Haarer bis heute? Hat die Neue Rechte etwas mit unterdrücktem Eigensinn zu tun? Welche Fantasien treiben sie an? Welche Rolle spielt die Angst in der Attraktionskraft dieser und anderer sozialer Bewegungen und welche Rolle der Mangel? Lassen sich die destruktiven gesellschaftlichen Dynamiken des zugeschriebenen und unterdrückten, des ausgemerzten und verdrängten, des entstellten, ignorierten, parodierten, ungelebten, nicht totzukriegenden Eigensinns durchbrechen – und wenn ja, wie?
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung1 Das Grimm´sche Märchen Das eigensinnige Kind Der Zirkel Die Hand Wer töten kann Das KippbildÜber Lebende und Tote Präsozial Es ist nur zu Deinem Besten Nichts ist, wie es sein soll Ungerührt Am Grab Eigensinn Was fehlt Postsozial Die Form ist die Botschaft Variationen I2 Unterdrückung und Eigensinn Vom Dagegen zur Selbstoptimierung Herrschaft und Knechtschaft / Requiem Sich ins Verhältnis setzen Variationen II3 Von den Anfängen Chor der Schwangeren Es ginge auch anders Von der Erbsünde Gottgleich Autonomie Todesangst und Todeslust Variationen III4 Schwarze PädagogikÜber Erziehung Zappel-Philipp: Die Gewalt gebiert das Scheitern Die Haarer ist schuld Selbstbefragung5 Lebensläufe Krieg und Eigensinn Der Vater Das Geheimnis Altersstarrsinn Next Generation Dialektik der Zwangsjacke PflegeleichtÜber Ironie Die Höhle Die Hand IIAttention addicts An den Zitzen der Wirklichkeit Variationen IV6 Eigensinn und Gesellschaft Schuldangst Aufmerksamkeitsdefizit Identität und Geborgenheit Erziehung zum Eigensinn Eine Welt voller Feindseligkeiten Unendliches BegehrenÜber Trennung und Verbindung Herrschaft und Knechtschaft IIZum Ende Anmerkungen
Über den Autor
Wolfram Ette ist Literaturwissenschaftler und Publizist. Letzte Veröffentlichungen: ›Das eigensinnige Kind. Über unterdrückten Widerstand und die Formen ungelebten Lebens – ein gesellschaftspolitischer Essay‹ (2019); ›Der Ausnahmezustand ist der Normalzustand, nur wahrer. Texte zu Corona‹ (2021, zusammen mit Anne D. Peiter).