Eine Neuvermessung des Beziehungsnetzes dreier Autoren im Londoner Exil der 1940er und 50er Jahre.
Aus Wien und Prag kommend lebten Franz Baermann Steiner (1909-1952), H. G. Adler (1910-1988) und Elias Canetti (1905-1994) in den 1940er und 50er Jahren im Londoner Exil. Alle drei sind ebenso sehr als Dichter wie als Anthropologen hervorgetreten – in einer von der deutschen philosophischen Anthropologie der 1920er Jahre wie auch der Kritischen Theorie deutlich unterschiedenen Tradition. Steiner forschte über Sklaverei sowie zum Verhältnis von gesellschaftlichem Zusammenhalt und Tabu. Adler entwarf in seinem epochemachenden Buch über Theresienstadt (1955) eine soziale Gegenwelt der wachsenden Einschränkung und Expropriation aller Lebenschancen. Canetti zeigte das elementare Verhältnis von Masse und Macht als gesellschaftsbindender Kraft auf. Zugleich dichtete Steiner Hymnen und Langgedichte. Adler schrieb Romane, die an die avanciertesten narrativen Techniken der modernen Erzählkunst anknüpfen, sie gilt es zu entdecken, ebenso wie seine Lyrik. Canetti formte den literarischen Aphorismus zu einem Erkenntnismittel blitzartiger Einsicht um.
Sobre el autor
Jeremy Adler, geb. 1947, ist Sohn des Schriftstellers H. G. Adler (1910-1988) und Professor Emeritus für Germanistik am King’s College London. Er veröffentlichte 1987 eine Monographie zu Goethes »Wahlverwandtschaften’ und (mit Ulrich Ernst) den Katalog »Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne’ (3. Auflage, 1989). Seine Edition der »Dichtungen’ von August Stramm erschien 1990, den Roman »Eine Reise’ von H. G. Adler edierte er 1999. Mit Richard Fardon gab er eine zweibändige Ausgabe der »Selected Writings’ von Franz Baermann Steiner heraus (Oxford und New York, 1999 – auf Deutsch 2008 bei Wallstein unter dem Titel »Zivilisation und Gefahr’ erschienen).
Außerdem publizierte er mehrere selbständige Lyrik-Bände, darunter »At the Edge of the World’ (1994).
Gesa Dane ist Professorin am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der FU Berlin.
Veröffentlichungen u. a.: Im Dickicht der Texte. Editionswissenschaft als interdisziplinäre Grundlagenforschung (Mithg., 2013); Scharfsinn und Frömmigkeit. Zum Werk von Catharina Regina von Greiffenberg (1633-1694) (Hg., 2013); Zeter und Mordio. Vergewaltigung in Literatur und Recht (2005).