Chemie! Als Schulfach wird sie von wenigen geliebt und von vielen gefürchtet. Im Alltag ist sie allgegenwärtig, unverzichtbar und doch häufig Gegenstand gesellschaftlicher Kontroversen. Wie sich die Kluft zwischen Ansehen und Bedeutung der Chemie überbrücken lässt, ist die Leitfrage dieses Bandes. Autoren aus Wirtschaft, Naturwissenschaft sowie Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften reflektieren Fragen der öffentlichen Wahrnehmung, Ethik und Perspektiven für die Chemie-Kommunikation.
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Das Verhältnis zwischen Chemie und Gesellschaft ist wie bei keiner anderen Naturwissenschaft seit Jahrhunderten gespalten. Alles Chemische ruft bei vielen Menschen Unbehagen hervor, gilt oft pauschal als unnatürlich, giftig und gefährlich. Der Band unternimmt erstmals den Versuch, das Spannungsverhältnis zwischen Chemie und Gesellschaft genauer zu beleuchten und Lösungswege aufzuzeigen. Die Beiträge untersuchen zunächst mit soziologischen und demoskopischen Methodendas öffentliche Bild der Chemie, liefern kulturhistorische Erklärungen für seine Entstehung und zeigen Möglichkeiten auf, wie Chemie und Gesellschaft wieder zusammenkommen können durch neue Wege der Chemiedidaktik und Chemieausbildung, Wissenschaftskommunikation, Ethik und des gesellschaftlichen Dialogs.
Der Band vereinigt Beiträge aus den Geistes- und Sozialwissenschaften mit Beiträgen von der universitären und industriellen Chemie sowie von hochrangigen Vertretern der Wissenschaftspolitik. Er begründet zukunftsweisend eine nationale Forschungs- und Lehrinitiative zur Rolle der Chemie in der Gesellschaft.
Der Band erfüllt in vielerlei Hinsicht ein Desiderat, das heute umso dringlicher erscheint. Je wichtiger die Chemie bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme wird (insbesondere der Umwelt, Energie, Gesundheit, Rohstoffe und Ernährung), desto notwendiger ist eine Klärung und Harmonisierung ihres Verhältnisses zur allgemeinen Gesellschaft.
Die verbreiteten Klagen von Chemikern über ihr schlechtes öffentliches Bild ersetzt dieser Band durch fundierte Erkenntnisse über seine Beschaffenheit, Ursachen und Verbesserung und liefert so eine solide Handlungsgrundlage.
Darüber hinaus fordern inzwischen nationale und internationale Fachorganisationen (u.a. die Akkreditierungsagentur ASIIN und das European Chemistry Thematic Network (ECTN) für den „Chemistry Eurobachelor“) die Integration der Thematik „Chemie und Gesellschaft“ in die universitäre Chemieausbildung, was in Deutschland bisher noch nicht umgesetzt ist. Die Studienkommission der GDCh hat diese Anforderung in ihrer jüngsten Empfehlung vom März 2015 explizit aufgenommen. Der Band wird daher zum richtigen Zeitpunkt erscheinen, um als Lehrmaterial für die entsprechenden neuen Lehrveranstaltungen dienen zu können.
Tabla de materias
Einführung.- 1 Das Bild der Chemie in der Gesellschaft.- Die Chemie als Teufelswerk? 2300 Jahre Chemiekritik.- Chemiker und ihre Zunft im Spielfilm.- Ein notwendiges Übel? Chemie in der öffentlichen Wahrnehmung.- „Journalehrismus“ – oder: Wie sich Nachrichtenwerte der Massenmedien im Chemie-Unterricht nutzen lassen.- 2 Das Verhältnis der Chemie zu den Geistes- und Sozialwissenschaften.- „Chemie und Geisteswissenschaften“: Blick zurück und nach vorn.- Die Rolle der Chemiegeschichte in der Wissenschaftskommunikation.- 3 (Vermittlungs)Perspektiven.- Chemie: künstliche Natur oder natürliche Kunst?.- Chemiekommunikation: Didaktik und Wissenschaftsjournalismus im Gespräch.- Ethische Grundsätze als Leitlinien der Gesellschaft Deutscher Chemiker.- 4 „Chemie und Gesellschaft“ in der Chemie-Ausbildung.- „Chemie und Gesellschaft“ in der Chemieausbildung: Bedarf, Angebote, Umsetzung.- Integration von Lehrinhalten im Themenfeld „Chemie und Gesellschaft“ in die Chemie-Ausbildung.- Das Lernziel „Ethik“ in Studiengängen der Chemie: Empirische Bestandsaufnahme und Gestaltungsvorschläge.- Aufgaben für die Chemiegeschichte.- Chemie und Gesellschaft – didaktische Potenziale auch für Studiengänge der Chemie.- Plädoyer für einen technisch-naturwissenschaftlichen Bildungsbegriff: Die Integration der Chemie.- Vorschläge und Materialien zur Umsetzung.- Schlusswort: Perspektiven der Chemie-Kommunikation.
Sobre el autor
Die Herausgeber
Dr. Marc-Denis Weitze leitet den Themenschwerpunkt Technikkommunikation in der Geschäftsstelle der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in München. Studium der Chemie, Physik und Philosophie in Konstanz und München (Abschlüsse: Diplom-Chemiker 1993, Magister Artium 1998), Promotion in Chemie (TU München, 1997). 1998-2006 Tätigkeit am Deutschen Museum in München im Feld „Public Understanding of Science“ und als Wissenschaftsjournalist (FAZ, NZZ). Habilitation in Wissenschaftskommunikation (TU München, 2016). Leitung von Seminaren und Workshops zur Wissenschaftskommunikation am Deutschen Museum und an der TU München.
Dr. Joachim Schummer ist Herausgeber von HYLE: International Journal for Philosophy of Chemistry (seit 1995) und freier Autor. Nach einem Doppelstudium der Chemie und der Philosophie, Soziologie und Kunstgeschichte, Promotion und Habilitation in Philosophie nahm er zahlreiche Gastprofessuren wahr in Nord- und Südamerika, Australien, Asien und Europa und beriet u. a. die UNESCO und das Deutsche Museum. Jüngste Buchpublikationen sind Wozu Wissenschaft? (Kadmos 2014), Das Gotteshandwerk (Suhrkamp 2011), Nanotechnologie (Suhrkamp 2009), The Public Image of Chemistry (World Scientific 2007).
Dr. Thomas Geelhaar studierte von 1975 bis 1981 Chemie an der Universität Mainz und promovierte dort 1983 in Physikalischer Chemie. 1984 begann er seine Tätigkeit bei Merck als Laborleiter in der Flüssigkristall-Forschung. Seitdem hatte er als Forschungsleiter, Vertriebsleiter und Spartenleiter in Japan verschiedene Führungspositionen in der Sparte Flüssigkristalle inne. Darüber hinaus leitete er die Geschäftsentwicklung Chemie und die Merck OLED Materials Gmb H. Bis zum Eintritt in den Ruhestand Ende 2015 war er Senior Vice President, Chief Technology Officer Chemicals und Sprecher der Chemieforschung bei Merck in Darmstadt. Er war 2014/2015 Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker und hat die Arbeitsgemeinschaft Chemie und Gesellschaft gegründet.