Archäologische und historische Untersuchungen zu Gruppen und Identitäten im frühen Mittelalter befinden sich seit einigen Jahren in einem Paradigmenwechsel. Statt einer möglichst strikten, idealtypischen Trennung zwischen „Germanen“ und „Romanen“ beginnt eine andere Perspektive in den Mittelpunkt zu rücken: die gemeinsame Lebenswelt in Spätantike und frühem Mittelalter, die zeitgenössischen Verhältnisse, ihre Wahrnehmung und ihre Veränderungen.
Wie sich neue politische und soziale Strukturen herausbildeten, auf welche Weise neue Identitäten an die Stelle bisheriger, sich auflösender Zuordnungen traten, ist nun von zentralem Interesse. Nicht Römer oder Germanen, sondern ganze Bevölkerungen unterschiedlicher individueller Herkunft hatten Anteil an einer Entwicklung, die als „Transformation der römischen Welt“ beschrieben werden kann.
Verschiedene Richtungen der Archäologie beschäftigen sich damit: kulturgeschichtliche Untersuchungen zu Sachkultur und Bestattungen, Siedlungs- und Wirtschaftsarchäologie sowie Studien zu zeitgenössischen Vorstellungen und Identitäten. Miteinander verbunden bieten sie ein differenziertes und komplexes Bild kultureller und historischer Entwicklungen.
Tabla de materias
Sebastian Brather: Archäologie des 4. bis 7. Jahrhunderts im Westen. Einführung; Walter Pohl: Spuren, Texte, Identitäten. Methodische Überlegungen zur interdisziplinären Erforschung frühmittelalterlicher Identitätsbildung; Michael Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde. Der Historiker und der archäologische Befund; Philipp v. Rummel: Ambrosius, Julianus Valens und die „gotische Kleidung“. Eine Schlüsselstelle historisch-archäologischer Interpretation; Hubert Fehr: Germanische Einwanderung oder kulturelle Neuorientierung? Zu den Anfängen des Reihengräberhorizontes; Guy Halsall: Gräberfelduntersuchungen und das Ende des römischen Reichs; Bonnie Effros: Auf der Suche nach Frankreichs ersten Christen. Camille de la Croix und die Schwierigkeiten eines Klerikers als Archäologe im späten 19. Jahrhundert; Michel Kazanski/ Anna Mastykova/ Patrick Périn: Westgoten in Nordgallien aus Sicht der Archäologie. Zum Stand der Forschung; Antonel Jepure: Interpretationsprobleme der Westgotenarchäologie. Zurück zu den Altgrabungen anhand bisher unausgewerteter Dokumentationen; Claudia Theune: Methodik der ethnischen Deutung. Überlegungen zur Interpretation der Grabfunde aus dem thüringischen Siedlungsgebiet; Sebastian Brather: Kleidung, Bestattung, Ritual. Die Präsentation sozialer Rollen im frühen Mittelalter; Eva Stauch: Alter ist Silber, Jugend ist Gold! Zur altersdifferenzierten Analyse frühgeschichtlicher Bestattungen; Karen Høilund Nielsen: Stil II als Spiegel einer Elitenidentität? Der Tierstil von der Herkunftsmythologie bis zur Königssymbolik und Kirchenkunst im angelsächsischen Britannien; Lyn Blackmore: Schätze eines sächsischen Königs von Essex. Die Funde aus einem Prunkgrab von Prittlewell und ihr Kontext; Hans-Ulrich Voß: Fremd – nützlich – machbar. Römische Einflüsse im germanischen Feinschmiedehandwerk; Jörg Drauschke: Zur Herkunft und Vermittlung „byzantinischer Importe“ der Merowingerzeit in Nordwesteuropa; Sebastian Brather: Zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Zusammenfassung.
Sobre el autor
Sebastian Brather, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.