Krisen – sie bezeichnen das, was eigentlich undenkbar ist: Die Ereignisse überschlagen sich, werden als unkalkulierbar wahrgenommen, ihr Ausgang ist ungewiss. Andererseits wird Krisen mit festen sprachlichen Mustern begegnet. In der Kommunikation wird ihnen ein logischer Ablauf, ein Telos unterstellt. Damit sind sie nicht nur Mittel zur Zukunftsbewältigung, sondern sie ordnen auch den Blick in die Vergangenheit: In den historischen Wissenschaften dient das Schlagwort der Krise sowohl interdisziplinär als auch transepochal als Leitbegriff, um Kontinuitäten wie auch Wandel zu erklären. Die Vielzahl der konstatierten Krisen lässt freilich zweifeln, wie sich ein breit gefasster Krisenbegriff hermeneutisch schlüssig definieren lässt. Wann ist eine Ereigniskette als ‘Krisenzeit’ zu qualifizieren? Wie beständig sind solche Qualifizierungen? Zugleich stellt sich die Frage nach der narrativen Konstruktion solcher ‘Krisengeschichten’: Nötigt der Fokus auf Krisen zu einer bestimmten Strukturierung des Stoffs, zu einem bestimmten Darstellungsziel? Formt er damit implizit unsere Forschungsaussagen?
A propos de l’auteur
Gerrit Jasper Schenk is Professor of Medieval History at Technische Universität Darmstadt, Germany. His research focuses on historical disaster research, environmental history, history of infrastructure, urban history, rituals and ceremonies. His main areas of interest are the late medieval and early modern periods of the Holy Roman Empire and Italy. Schenk has curated several historical exhibitions. Currently he is leading research projects on the ‘fluvial anthroposphere’.