Heinrich Deterings neue Gedichte vermessen räumliche und zeitliche Distanzen, sie führen nach Kilchberg und Kapernaum, nach Auerstedt und Lemberg, nach Texas und an den Li-Fluss. Sie erkunden Elvis Presleys Graceland und folgen Buffalo Bills Wildwest-Show nach Weimar. In geschmeidiger Formkunst und in spielerischer Balance von Komik und Trauer befragen sie die Orte nach ihrer Geschichte: nach den Toten unter der Grasnarbe, nach der Möglichkeit von Glück.
Kilchberg
täglich andere Ängste
und immer dieselbe Angst
die erste die letzte die längste:
dass du nicht langst
dass du nie genug bist
dass du nie genügst
dass deine Sicherheit Lug ist
dass du lügst
Angst vor offenen Plätzen
Gier nach dem eigenen Platz
nachts das alte Entsetzen
morgens der nächste Satz
A propos de l’auteur
Der Autor Heinrich Detering, geb. 1959, lehrt deutsche Literatur an der Universität Göttingen. Er veröffentlicht Gedichtbände sowie literaturwissenschaftliche Studien und literarische Essays. Außerdem arbeitete Detering als Übersetzer und Herausgeber. 2003 wurde er mit dem ‘Preis der Kritik’ ausgezeichnet.