Die literarische Moderne entdeckt die Gefährdung des Ich in der Heimkehr: Wo es heimkehrend zu sich zurückfinden soll, droht es gerade unterzugehen.
Heimkehr ist nicht nur ein drängendes Problem in den Flüchtlingsbewegungen aktueller Weltpolitik – sie ist auch immer schon ein ehrwürdiges und vielbenutztes Motiv der abendländischen Literatur gewesen. Der vorliegende Essay untersucht in konzentrierten Einzelinterpretationen wichtiger Gedichte und Prosatexte der deutschsprachigen Moderne (u.a. Heine, Eichendorff, Celan, Rilke, Kafka), wie die große Literatur das Subjekt in der Heimkehr zunehmend als gefährdet sieht: Der Selbstverlust in der Heimkehr akzentuiert die Heimatlosigkeit des Ichs in einer Welt beständigen Umbruchs. Eingebettet wird diese Problemgeschichte in eine Reflexion der philosophischen bzw. theologischen Modelle der Heimkehr seit der Antike, die als Ideenreservoir den dichterischen Bearbeitungen zugrunde liegen und in ihnen produktiv kritisiert werden. Dass die Unmöglichkeit der Heimkehr die Anerkennung der Schutzlosigkeit des Fremden fordert, haben Philosophie und Literatur eindringlich sichtbar gemacht: So liefert der Essay gute Gründe dafür, das Wissen der Literatur auch für gegenwärtige Fragen zu konsultieren.
A propos de l’auteur
Jan Urbich, geb. 1978, ist akademisch sowohl in der Literaturwissenschaft als auch in der Philosophie beheimatet. 2016/2017 und 2018/2019 Feodor-Lynen-Fellowship der Alexander von Humboldt-Stiftung in Chicago und Leipzig. Seit April 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der TU Braunschweig.