Alterssicherung ist eines der zentralen politischen Themen. Früher oder später macht sich jede(r) Gedanken um ein auskömmliches Leben im Alter und überlegt, was er oder sie dafür tun kann. Dabei ist inzwischen wohl allen klar, dass die gesetzliche Rente allein keineswegs den Lebensstandard im Alter wird sichern können. Doch Alterssicherung ist nicht nur ein individuelles, sondern vor allem auch ein hoch politisches Thema. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen in der Alterssicherungspolitik, legt direkt oder indirekt Beitragssatz wie Rentenhöhe fest und ist mit dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, der Deutschen Rentenversicherung Bund, zentraler rentenpolitischer Akteur. Zudem werden die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur durch Beiträge finanziert, sondern auch durch Zuschüsse des Bundes von derzeit rund 100 Milliarden Euro jährlich – und damit sind sie eines der größten Posten im Bundeshaushalt.
In einer alternden Gesellschaft werden immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen. Anhaltend niedrige Geburtenraten – 2018 wurden in Deutschland 787 000 Kinder geboren – können den demographischen Trend nicht umdrehen (im gleichen Jahr waren rd. 935 000 Sterbefälle zu verzeichnen). Für das Jahr 2030 wird ein Anteil der über 65-Jährigen von fast 25 Prozent erwartet, während es 2014 noch 18 Prozent waren. Die 2018 gesetzlich festgelegte ‘doppelte Haltelinie’ besteht aus einer Obergrenze für den Beitragssatz und einer Untergrenze für das Rentenniveau. Ob diese Ziele erreichbar sind, ist allerdings umstritten und so verwundert es nicht, dass fast im Wochenrhythmus neue Vorschläge zur Reform der Rentenpolitik in die Debatte geworfen werden. Die daraus resultierenden Konflikte ergeben einen hohen Bedarf an Reflexion und politischen Richtungsentscheidungen.
Diese Ausgabe von Politikum nimmt – wie immer jenseits der Tagesaktualität – das Thema Alterssicherung umfassend in den Blick: Nach einem Grundsatzbeitrag zu den Konsequenzen des demographischen Wandels wird die deutsche Rentenpolitik kritisch bewertet, die Effizienz privater Altersvorsorge hinterfragt und über Altersbilder in einem umfassenden Sinne nachgedacht. Zudem wird analysiert, was die europäische Politik zu diesem Thema beitragen kann und wie Studierende auf das Thema blicken. Ein Interview mit dem wohl einflussreichsten ‘Rentenprofessor’ der vergangenen zwei Jahrzehnte sowie Überlegungen zur Behandlung des Themas im Schulunterricht runden das Heft ab. Ist die Rente also sicher? Oder doch sicher zu niedrig?
Table des matières
Axel Börsch-Supan
Gestaltungswille statt politischer Geschenke
Alterssicherungspolitik und demographischer Wandel
Tim Köhler Rama
Rentenpolitik ohne Kompass
Zeit für eine Systemdiskussion
Gertrud M. Backes
Bilder und Diskurs des Alter(n)s
Kornelia Hagen
Private Altersvorsorge – Allheilmittel oder leeres Versprechen?
Jana Windwehr und Manuel Wäschle
Alterssicherungspolitik durch die Hintertür?
Chancen und Grenzen der Europäisierung
Johannes Varwick, Vera Eirich und Stephan Klaus
Skeptisch und mit gemischten Gefühlen –
Studierende und Alterssicherungspolitik
‘Eine leitende Idess ist derzeit nicht ersichtlich’
Über die großen Linien der Rentenpolitik in Deutschland
Interview mit Bert Rürup
Forum
Thorsten Hippe
Keine Kinder – keine Rente?
Altersvorsorgepolitik im Unterricht
Rezensionen und Literaturtipps
A propos de l’auteur
Prof. Dr. Gertrud M. Backes
ist Professorin für ‘Altern und Gesellschaft’ und war u.a. lang-jährige Sprecherin und Mitgründerin der Sektion ‘Alter(n) und Gesellschaft’ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Prof. Dr. Axel Börsch-Supan
ist Direktor des ‘Munich Center for the Economics of Aging’ (MEA) des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik und einer der führenden deutschen Experten für demographischen Wandel und Reform der sozialen Sicherungssysteme.
Vera Eirich
ist wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg.
Kornelia Hagen
ist Seniorwissenschaftlerin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Dr. Thorsten Hippe
ist Lehrbeauftragter an der Universität Köln.
Stephan Klaus
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg
Dr. Tim Köhler-Rama
ist Rentenexperte und lehrt Alterssicherungspolitik an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Sozialversicherung.
Prof. Dr. Bert Rürup
ist einer der führenden Rentenexperten Deutschlands. Er war bis 2009 Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Darmstadt und u. a. Berater verschiedener Bundesregierungen und Ministerien. Heute leitet er als Präsident das ‘Handelsblatt Research Institute’ und ist Chefökonom des Handelsblatts.
Prof. Dr. Johannes Varwick
ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg und Herausgeber von POLITIKUM.
Manuel Wäschle
hat gerade an der Universität Halle-Wittenberg seine Dissertation zum Thema Europäisierung von Kleinstaaten in der Alterssicherungspolitik abgeschlossen.
Dr. Jana Windwehr
habilitiert an der Universität Halle-Wittenberg zum Thema Europäisierung der Sozialpolitik.