Dieser Band des Projekts Ideologietheorie, der neben strukturellen und biografischen Aspekten die faschistische Ideologie in den Mittelpunkt stellt, ist eine wichtige Ergänzung aktueller Faschismus- und NS-Studien. In den neuen Biografien zu Nazitätern (Hitler, Eichmann, Heydrich, Goebbels) hat sich der Streit zwischen Strukturalisten und Personalisten dialektisiert: Das Zusammenwirken individueller und biografischer Momente mit gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen diese produktiv werden konnten, wird heutzutage weitgehend als Schema akzeptiert. Die Erklärung der Taten, die zum Holocaust führten (Christopher Browning), und die Analyse der Täterstrukturen werden zusammengedacht mit den historischen (sozialen, ökonomischen, kulturellen und religiösen) Strukturen. Weitgehend ausgeblendet werden in diesen »formalen« Analysen die ideologischen Anordnungen, die den deutschen Faschismus wirksam werden ließen. Die Frage, wie die Nazis es schafften, die Menschen für ihre Ideen zu begeistern, und wie die Einzelnen sich freiwillig in ein Herrschaftsverhältnis einordneten und diese Einordnung als Befreiung erleben konnten, wird in den Detailstudien von »Faschismus und Ideologie« beantwortet.
Überarbeitete Neuausgabe in einem Band der Argument Sonderbände 60 und 62.
Table des matières
Vorwort des Herausgebers (Klaus Weber)
Vorwort 1980
Kapitel 1: Die Behandlung des Ideologischen in marxistischen Faschismustheorien
Agententheorie und Verselbständigungstheorie
Integration durch Bewusstseinsfalsifikation und Bündnisproblem: Opitz und Kühnl
Wirkung und Bekämpfung des Faschismus von innen
Verschiebungen im Instanzenverhältnis: Poulantzas
Popular-demokratische Anrufungen: Laclau
Marxistische und bürgerliche Faschismusforschung
Kapitel 2: Annäherung an die faschistische Modalität des Ideologischen
Rückblick auf die Kritische Theorie
Der faschistische Glaube und das Primat der Ideologischen Praxen
Die ideologische Krise
Hitlers Standpunkt
National-Sozialismus als Gegen-Bolschewismus
Exkurs: Antikommunismus und Gegenbolschewismus
Antisemitismus und Volksdiskurs
Exkurs: Zur Erklärbarkeit des faschistischen Antisemitismus
Die Performativität der faschistischen Volksgemeinschaft
Die Umorganisierung des ideologischen Dispositivs: Re-Interpretation der Verselbständigungsthese
Die faschistische »Macht über die Herzen«
Kapitel 3: Ideologische Anordnung und Präsentation der Volksgemeinschaft am Ersten Mai 1933
Der Erste Mai als Staatsakt
Ideologische Effekte von Massenveranstaltungen
(Auf-)Marschieren als Ordnungshandeln
Exkurs: Appell als ideologische Anordnung
Appell: Attraktionen und ideologische Rahmung
Präsentationsformen in der Zivilgesellschaft
Orthopraxie der Volksgemeinschaft
Kapitel 4: Ideologische Transformationsarbeit in Hitlers Rede zum Ersten Mai 1933
Entwicklung der Fragestellung
Konstitution des kulturellen Wir
Einbau des Nationalen in das Anti-Klassenkampf-Wir
Desartikulation der Arbeit von der Gewerkschaft
Konstitution von Volk und Gegenvolk
Unterstellung unter den Staat
Unterstellung unter den Führer
Die Stärke der faschistischen Intervention
Anhang: Hitlers Rede zum Ersten Mai 1933
Kapitel 5: Die Erziehung des faschistischen Subjekts
Indoktrination, Irrationalismus und Zerstörung des Bildungswesens
Umartikulation des Bildungskanons
Volksschullehrer als »organische Intellektuelle« des Nazismus auf dem Dorfe
Militärische Formierung und ideologische Subjektion
Der »Apparat Jugend« in der Weimarer Republik
Hitlerjugend und Ideologie
Führungsbildung von unten nach oben nach unten
Gemeinschaft als imaginäres Subjekt
Rasse als Verdichtung von Selektions-Funktion und Natur-Attraktion
Selbsteinordnung im Berufswettkampf
Kapitel 6: Opferritual und Volksgemeinschaftsdiskurs am Beispiel des Winterhilfswerks
Volksgemeinschaft als Volksbetrug?
Der Umbau sozialpolitischer Instanzen
Die ideologischen Praxen des Winterhilfswerks
Volksgemeinschaft durch Opfer
Kapitel 7: Die Organisation des Ideologischen als betriebliche Praxis
Konsensbildung und strukturell-organisatorische Spaltung der Gesellschaft
Spaltung der Gesellschaft
Faschistische Aufhebung des Klassenantagonismus
Organisation faschistischer Betriebspraxis
Primäre, praktisch-tätige Ideologisierung
Sekundäre Ideologisierung
Kapitel 8: Gebauter Nationalsozialismus
Zum Stellenwert der Architektur
Das Monumentale als ideologische Form
Die Staatsarchitektur als Zentrum der NS-Baupolitik
Exkurs: Der nazistische Diskurs über Architektur
Steinerne Anordnungen
Architektonische Produktion neuer Wahrzeichen
Fixierung neuer Dominanzverhältnisse
Architektur des Anti-Diesseits
Dominanz des Imperialen
Kapitel 9: Ideologische Subjektion in den Literaturverhältnissen
Entwicklung der Fragestellung
Bücherverbrennungen: Inszenierung des Bruchs
Konjunkturliteratentum: Kampf um den ideologischen Effekt
Anti-Politik: Wirkungsweise der faschistischen Massenromane
Innere Emigration: Flucht in die ideologische Subjektivität
Kapitel 10: Die Organisation des Ideologischen im Reichsparteitagsfilm
Konstitution der Volksgemeinschaft durch den Film
Protonazistische Elemente und Ornament der Masse: Kritik der Ästhetisierungsthese
Die ideologische Transformationsarbeit
Die ideologische Syntax
Exkurs: Zur Kritik der Kontinuitätsthese
Literatur
Verzeichnis des audiovisuellen Materials
Verzeichnis der Abbildungen