Das Wintersemester 1987/88 war ein besonderes. Für den Bremer Behindertenpädagogen und Psychologie-Professor Wolfgang Jantzen wie für die Studierenden und den Lehrkörper der Sektion Psychologie an der Leipziger Universität. Denn von Oktober 1987 bis März 1988 war der profilierte Marxist als Gastprofessor auf den Wilhelm-Wundt-Lehrstuhl für Psychologie berufen worden. Als West-Kommunist an einer DDR-Uni lehren, das war alles andere als alltäglich. Und eine Grenzerfahrung der besonderen Art. Für beide Seiten. Zumal auch die Zeit eine sehr bewegte war. Wenig später gab es die DDR nicht mehr.
Die Vorträge und Aufsätze, die Wolfgang Jantzen in der Zeit vor, während und nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus verfasst hat, sind Puzzlesteine für ein realistisches DDR-Bild. Sie dokumentieren den Beobachtungs-, Erfahrungs- und Erkenntnisstand eines westdeutschen Marxisten, der die Psychologie der DDR nicht nur aus der Literatur oder kurzen Kongressbesuchen kennt.
Das Buch wendet sich an alle, die an einem realistischen DDR-Bild interessiert sind, aber vor allem an einem Bildungs- und Gesundheitswesen sowie einer Gesellschaft, die den ganzen Menschen in den Mittelpunkt stellen und niemanden ausgrenzen.
Table des matières
Einleitung
Gastprofessur in Leipzig– Auseinandersetzung inund mit der DDR
Zur revolutionären Bedeutung der kulturhistorischen Schule für die Entwicklung der Psychologie
Zum Verhältnis von Tätigkeitstheorie und Psychotherapie
Praktische Erfahrungen und theoretischeÜberlegungen
Zur Vorgeschichte
Die Solidarische Psychosoziale Hilfe
Wie funktioniert das Ganze eigentlich?
Die Arbeit in Leipzig
Gesundheit als Lebenswert in der sozialistischen Gesellschaft
Sinn und sozialer Verkehr
Marxistische Anthropologie und Humanismus als Gattungswesen
Ein reales und materialistisches Sozialismusbild und der reale Sozialismus in der DDR
Zwischen »Überlebendensyndrom« und Kolonisierung?
Überlegungen zur psychischen Situation in der DDR vor und nach der Wende und dem Anschluss
Kulturhistorische Psychologie in der späten DDR
Pressestimmen
Auseinandersetzungen um Demokratisierung
Persönlichkeit– Demokratie– Vernunft
Nachtrag
Warum Geschichte? Was und wie lernen wir aus ihr?
Franco Basaglia und die Freiheit eines jeden oder: »Die Suche nach der verlorenen Psychiatrie«
Über den Autor
A propos de l’auteur
Geb. 1941, Abitur 1963. Studium ab 1963 an den Universitäten Gießen und Marburg. (Abschlüsse: Lehramt Grund- Haupt und Realschulen, Wahlfach Sport; Diplom in Psychologie; Lehramt Sonderschulen Fachrichtungen Lernbehinderte und Sprachbehinderte). 1966–1971 Lehrer an einer Schule für Lernbehinderte in Lich/Oberh.; 1971–1974 Studienrat i.H. am Institut für Sonderpädagogik der Universität Marburg (Schwerpunkte: Sozialpädagogik, sonderpäd. Diagnostik). 1972 Promotion in Erziehungswissenschaft, Nebenfächer Psychologie und Soziologie, in Marburg. Ab Mai 1974 Prof. für Behindertenpädagogik an der Universität Bremen. Schwerpunkt: Allgemeine Behindertenpädagogik. Aufbau des Lehramtstudiengangs (Beginn 1974) und des Diplomstudienganges Behindertenpädagogik (Beginn 1985). Lehraufträge an verschiedenen Universitäten. Oktober 1987– März 1988: Wilhelm-Wundt-Professor für Psychologie an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Ab August 2006 im Ruhestand
Vorsitzender der Luria-Gesellschaft– Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Grundlegung der Rehabilitation hirngeschädigter Menschen e.V. von 1987–2008; erneut 2.Vorsitzender ab 2011
2010 Forschungsgastprofessur am Centro de Educação e Ciências Humanas/CECH/UFSCAR, São Carlos, Brasilien im Rahmen eines Forschungsprojektes über den Beitrag der Tätigkeitstheorie zur Literarisierung indianischer Völker mit Gastvorträgen an Universitäten in São Carlos und Brasilia sowie 5Wochen Forschungsaufenthalt in Amazonien (Alto Rio Negro und Rio Içana).