Die poetologische Tradition in Japan eröffnet Perspektiven auf kulturhistorisch zentrale Themen, die weit über die dichterische Praxis einzelner Epochen hinausreichen. Zwar sind die Poetiken immer auch Anleitungen zum Dichten, es zeigt sich aber, dass dort zugleich sehr grundsätzliche Fragen verhandelt werden: Was zeichnet dichterische Sprache aus, wie funktioniert Sprache überhaupt, wie ist es möglich, subjektive Gefühle zu vermitteln und Authentizität zu erreichen, wie verändert sich Sprache, was bedeutet der Sprachwandel für die Erfassung historischer Quellen und welche Auswirkungen hat er auf die eigene dichterische Praxis? Solche Fragen standen im Mittelpunkt der poetologischen Diskurse des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Japan, noch bevor das Land unter den massiven kulturellen und literarischen Einfluss des Westens geraten war. Die intensive kritische Auseinandersetzung japanischer Dichter und Gelehrter mit der eigenen sprachlichen, literarischen und kulturellen Tradition verläuft über kulturhistorische und kulturanthropologische Themen wie Authentizität, Empfindsamkeit, Rhythmus oder Performativität: Themen, die sich an aktuelle theoretische und transkulturelle Fragestellungen anschließen lassen.
लेखक के बारे में
Judit Arokay, geboren in Budapest, studierte in Budapest und Hamburg Japanologie, Germanistik und Anglistik. Nach der Promotion in Japanologie wissenschaftliche Assistentin in Hamburg und an der Freien Universität Berlin. Seit 2007 Professorin für Japanologie mit dem Schwerpunkt Literatur- und Kulturwissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.