Es gibt wohl wenige medizinische Fächer, die so oft und so intensiv vor dem Hintergrund von Klischees und Vorurteilen betrachtet werden wie die Psychiatrie. Warum ist dies so?
Sicher hat es zu tun mit ihrem Forschungsgegenstand, nämlich der gesamten Person – vor, während und nach einer psychischen Erkrankung. Dieser ‹Gegenstand›, die Person, geht uns alle unmittelbar an und macht uns, wenn es um Krisen geht, vielleicht betroffen. Schon das mag eine vorschnelle Meinungsbildung begünstigen. Doch ist der Begriff der Person, ob mit oder ohne psychisches Problem, derart vielschichtig, dass einfache oder gar eindimensionale Antworten auf die durch ihn hervorgerufenen Fragen gar nicht zu erwarten sind.
Bei aller Komplexität dieser Materie findet sich in der öffentlichen Wahrnehmung der Psychiatrie ein bestimmtes Muster sehr häufig, das nicht nur mit Neugier, sondern auch mit Scheu sowie einer gehörigen Portion Misstrauen zu tun hat: Was darf eigentlich die Psychiatrie, was kann sie, wofür ist sie überhaupt zuständig? Ist sie wirklich ein Teil der Medizin oder nicht doch, wie es die ‹Antipsychiatrie› der Sechzigerjahre sah, nur ein pseudowissenschaftliches Feigenblatt, um auffälliges Verhalten unkritisch und undemokratisch zu krankem Verhalten umzudefinieren?
Diesen für die aktuelle Diskussion zur Psychiatrie und Psychotherapie zentralen Punkten geht das vorliegende Buch nach.
Schwerpunkte liegen auf folgenden Bereichen, die jeweils durch konkrete Beispiele aus dem Behandlungsalltag illustriert werden:
– Führt die heutige psychiatrische Diagnostik nach ICD-10 und DSM-5 zu einer Pathologisierung des Alltags? Oder: Was darf die Diagnostik?
– Wie asymmetrisch ist die psychiatrische Arzt-Patienten-Beziehung heute immer noch? Oder: Was darf die Therapie?
– Wie ist faire und transparente Forschung mit psychisch kranken Personen überhaupt möglich? Oder: Was darf die Forschung?
– Wie ist die Rolle des neutralen psychiatrischen Gutachters mit der des Arztes zu vereinbaren? Oder: Was darf die Begutachtung?
Will die Psychiatrie das lebhafte und wissenschaftlich herausfordernde medizinische Fach bleiben, das sie ist, muss sie sich diesen Fragen selbstkritisch stellen. Sie darf sie dann aber auch selbstbewusst beantworten. Die Psychiatrie kann viel, aber lange nicht alles; sie darf auch viel, aber eben noch lange nicht alles.
‘Auf nur wenig mehr als 200 Seiten reflektiert der Autor eine Reihe wichtiger Aspekte der Psychiatrie, die in Lehrbüchern leider oft ungenügend oder gar nicht berührt werden. Das Buch ist dem wiederholten Bekenntnis verpflichtet, dass Psychiatrie der ständigen philosophischen Reflexion bedürfe, um zu guter Praxis zu finden und die Einheit des Faches zu wahren. Souverän und mit flüssigem Stil unterbreitet Paul Hoff seine Gedanken zu einer Vielzahl von Aspekten, die er als Brennpunkte bezeichnet. (…)
Dabei vermeidet er eine akademisch distanzierte Darstellung.’
M. Seidel (Bielefeld), Der Nervenarzt
zu ‹Psychiatrie: Ein Blick von innen›
लेखक के बारे में
Paul Hoff
Geb. 1956 in Ulmen bei Köln. Studierte Medizin und Philosophie in Mainz und München. Promotionen1980, 1988, Habilitation für Psychiatrie in München 1994. Seit 30 Jahren (ab 1981) in der klinischen Universitätspsychiatrie tätig – zunächst in München, dann in Aachen, seit 2003 in Zürich. Wissenschaftlicher Schwerpunkt sind psychopathologische, psychiatriehistorische und wissenschaftstheoretische Themen, die als notwendige Grundlage jeder psychiatrischen Tätigkeit verstanden werden.