Mit dem Theater wollte sich das deutsche Bildungsbürgertum des späten 18. Jahrhunderts unterhalten und zugleich moralisch belehren. Wichtig war die Abgrenzung von der höfischen Kultur des repräsentativen Festes wie von den Spektakeln der Volkskultur und den militärischen Festen der französischen Republik. Bei der Suche nach eigenen, bürgerlichen Repräsentationsformen wurde dem Theater häufig die Funktion eines anderen Festes zugeschrieben. Dieses sollte sich selbst reflektieren und dadurch eine kritische Öffentlichkeit hervorbringen in einem gleichwohl exzessiven, vom Alltag verschiedenen Ereignis. Eine wirkliche Überschreitung und Verausgabung wollte die bürgerliche Gesellschaft im Theater aber kaum zulassen. Diese Ambivalenz wird in der vorliegenden Studie erstmals umfassend herausgearbeitet und analysiert, besonders im Hinblick auf die heute wieder akute Frage nach dem Verhältnis von Theater und Öffentlichkeit.
Daftar Isi
Einleitung: Theater, Fest und Öffentlichkeit
Repräsentation als Problem
Festkultur zwischen Exzess und Ordnung
Theater und Ritual
Schritte der Untersuchung
I. Theatromanie und die Krise des Festes im Theaterroman
Darstellungskrisen
Schauspiel: bürgerliche Passion und sonderbare Anstalt
Theaterroman als anthropologische Versuchsanordnung
Anton Reiser – Hungerkünstler, Prediger und Komödiant
Die Sehnsucht des Bürgers nach dem glänzenden Fest
Krisenerfahrung zwischen Rollenspiel und Performance
Ritualisierung
Wilhelm Meister und die Inszenierung künstlicher Rituale
Initiationszauber: Puppenspiel, Schwelle und Teppich
Die meta-theatralische Sendung der Lehrjahre
Nationaltheater als Phantasma von Öffentlichkeit
Gesellschaftstheater
Das Nichts des Festes – Hypothek der höfischen Kultur
Zeremonialwissenschaft und Repräsentationskritik
Garve 1792 über den Bürger als Schauspieler
Gesellschaftstheater und die Krise des Zeremoniells
Wilhelms katastrophische Theater-Feste
Pädagogisches Nachspiel in den Wanderjahren
II. Öffentlichkeit, Revolution als Schauspiel und anderes Fest
Theatrophobie
Alpträume der Aufklärung: Rousseaus Lettre à d’Alembert
Öffentlichkeit als Schauspiel – das Theater des Herrn Rousseau
Publikum
Die Frage nach dem Publikum: Zur Rezeption des Briefes in Deutschland
Lessings Tragödientheorie zwischen Mitleid und Nationaltheater
Fortsetzung der Frage, nach Rousseau: Was kann ein gutes Publikum eigentlich wirken?
Gemeinschaft und Öffentlichkeit des Theaters bei Sulzer und Schiller
Das Politische
Enthusiasmus: Zur Wahrnehmung der Revolution als Schauspiel und Fest
Aneignung des öffentlichen Raumes in den Aufzügen des Volkes
Feiern der Nation – Militärgemeinschaft unter Aufsicht höchster Wesen
Die Inszenierung der Feste und das Schauspiel der Propaganda
Das andere Fest als Entwurf und Entzug des Politischen
III. Moderne Vorstellungen des antiken Festes
Rückprojektionen
Winckelmanns Fest des nackten Körpers
Archäologie und griechische Kulturgeschichte
Rekonstruktionsversuche
Feste als Einschnitt und Ordnung der Zeit
Opferdarstellung: Verzicht, Genuss und Verpflichtung
Mysterien, obskures Schauspiel und nächtliche Begeisterung
Theatervisionen
Hölderlin: Das Schweigen der alten heiligen Theater
Schelling, Schiller und Schlegel 1803 zur antiken Tragödie
Ursprungsfiktionen, zwischen Mimesis und Opferkult
Dionysien als Gegenwelt und Vorbild des bürgerlichen Theaters
Satyrspiel, Menschenpferde und das Tierwerden des Chors
Reisebilder
Landschaft mit Schatten und imaginären Touristen
Reisen auf der Suche nach dem eigentlichen Schauplatz
Römische Spektakel und Geisterbeschwörung
Ruine des Amphitheaters als Modell von Öffentlichkeit
Feste des Volkes für sich selbst? Karneval und Saturnalien
Circenses, Feste des Opferkönigs und der Toten
Von der Republik zum Museum: ›antiker‹ Triumphzug in Paris
IV.
Tentang Penulis
Patrick Primavesi, Dr. phil. habil., Professur für Theaterwissenschaft an der Universität Leipzig.