„Es war in St. Petersburg im Winter 1909/10, in der Zeit zwischen der Revolution und dem Ausbruch des Weltkriegs. Im Zarenreich herrschte Ruhe. Zwar gab es hin und wieder noch Attentate auf hohe Staatsbeamte und Mitglieder der kaiserlichen Familie, aber daran war man seit Jahrzehnten gewöhnt. Selbst die blutigste Sensation stumpft ab, wenn sie alltäglich wird. Und so erweckte das unerklärliche Verschwinden einer Anzahl von Mitgliedern der ersten Gesellschaftskreise in diesem Winter einen größeren Widerhall als jene Attentate…“ Strogany und die Vermissten (1940/41) ist wohl der ungewöhnlichste Kriminalroman, der während des Dritten Reiches in Deutschland veröffentlicht wurde: Autor Adam Kuckhoff (1887 – 1943) war im Widerstand gegen das Nazi-Regime aktiv, und schmuggelte zusammen mit Ko-Autor Peter Tarin alias Edwin Tietjens (1894 – 1944) zahlreiche zeitkritische Passagen in den Text. Der zunächst als Fortsetzungsroman in der „Kölnischen Zeitung“, dann als Buch erschienene Krimi blieb jedoch der einzige Fall rund um Strogany, den St. Petersburger Sherlock Holmes. Denn als 1942 die Widerstandskämpfer der “Roten Kapelle” durch abgehörte Funksprüche enttarnt wurden, geriet auch Kuckhoff in die Fänge der Ge Sta Po. Durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, endete sein Leben am 5. Oktober 1943 im Alter von nur 56 Jahren unter dem Fallbeil. Erst im Jahr 2009 wurde das Urteil durch einen Beschluss des deutschen Bundestages annulliert. Kuckhoffs Ko-Autor und Motivgeber Peter Tarin alias Edwin Tietjens entging als weniger exponiertes Mitglied der „Roten Kapelle“ den Verhaftungswellen, sollte jedoch das Ende der Nazi-Dikatatur ebenfalls nicht mehr erleben: der ursprünglich aus Petersburg stammende Berliner Psychiater und Werbefachmann starb im Mai 1944 an den Folgen eines Herzinfarkts. Nach der Erstauflage von „Strogany“ 1941 wurde Kuckhoffs oppositioneller Krimi nie wieder neu aufgelegt. Bis jetzt: Als zweiten Band der „Edition Widergänger“ bringt ebooknews press „Strogany und die Vermissten“ nun ungekürzt als Taschenbuch und E-Book neu heraus, inklusive eines Nachwortes des Herausgebers.
Circa l’autore
Kaum 15 Jahre liegen zwischen Adam Kuckhoffs literarischem Début Anfang der 1930er Jahre und seinem frühen Tod 1943 – eine Zeit in der er als Romancier (Scherry, 1931 – Der Deutsche von Bayencourt, 1937 – Strogany – 1941), als Publizist und nicht zuletzt Autor für eine oppositionelle Untergrundzeitung arbeitete. Während des Zweiten Weltkrieges war Kuckhoff als Mitglied der „Roten Kapelle“ aktiv, 1943 wurde er vom Volksgerichtshof wegen „Kriegsverrats“ zum Tode verurteilt und hingerichtet.