Fünfzehn Jahre nach ihrem Beginn findet Herbsts Trilogie ihren Abschluss: ein stroboskopisch halluzinierendes Panoptikum aus postapokalyptischem Cyberpunkterror mit Rückkopplung an ein Amalgam aus griechisch-keltisch-aztekischem Mythenschatz und moderner Popkultur. Von seiner Strahlkraft hat das Projekt nichts eingebüßt. – Nachdem sich die von Herbsts traditionsreichem Protagonisten Hans Erich Deters collagierte Megametropole ‘Buenos Aires’ von ihrem Schöpfer abgenabelt und verselbständigt hat, wird sie von einem furchtbaren Anschlag erschüttert. Der Versuch, auf diese Attacke aus dem ‘Osten’ zu reagieren und dem geheimnisvollen ‘zweiten Odysseus’ auf die Spur zu kommen, das immer weiter voranschreitende Problem der zu Bewusstsein erwachenden programmierten Menschkopien sowie die größenwahnsinnig-messianischen Pläne des Präsidenten der ‘Anderswelt’ – all dies kreist in seiner faszinierenden Unfasslichkeit irgendwie doch noch immer um das Café Silberstein in Berlin-Mitte: Dort gibt es zwar weiterhin gutes Sushi, allerdings hat man mittlerweile die bizarren Schweißkonstruktionen des Tacheles weggeräumt, die einst das Sitzmobiliar gebildet hatten. Immer noch sitzt Deters dort, in unserer ‘Realität’, und beginnt allmählich daran zu zweifeln, wer eigentlich wen erdacht hat. Eine zersplitterte Wirklichkeitserfahrung, die sich über drei parallele Zeiten und Welten erstreckt, die alle für sich beanspruchen, die ‘echte’ zu sein, lässt einen fixen Realitätsbegriff bald obsolet erscheinen.
‘Argo. Anderswelt’ ist der dritte Teil einer Trilogie, die Alban Nikolai Herbst 1998 mit dem ›Fantastischen Roman‹ ‘Thetis. Anderswelt’ eröffnete und 2001 mit dem ›Kybernetischen Roman‹ ‘Buenos Aires. Anderswelt’ fortsetzte.
Circa l’autore
Alban Nikolai Herbst (geb. 1955) studierte Philosophie und Geschichte und arbeitete zeitweilig als Devisenbroker. Die literarische Bühne betrat er bereits als 26-Jähriger. Seit dem Erscheinen des Romans ‘Wolpertinger oder Das Blau’ (1993) zählt er zu den wichtigsten deutschsprachigen Vertretern der postmodernen Literatur und wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen (u. a. Grimmelshausen-Preis) geehrt. 1998 erschien mit ‘Thetis’ der erste Teil seiner sprachlich und kompositorisch außergewöhnlichen ‘Anderswelt’-Romantrilogie, die mit ‘Buenos Aires’ 2001 ihre Fortsetzung fand und mit ‘Argo’ abgeschlossen wird. Im Elfenbein Verlag erschien zudem ‘Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen’ (2003) sowie der Gedichtband ‘Das bleibende Thier. Bamberger Elegien’ (2011).