Seitdem Huntingtons Prognose vom ‘Kampf der Kulturen’ am 11. September 2001 aktualisiert wurde, scheint Fukuyamas ‘Ende der Geschichte’ definitiv verschoben, und nach der Schuldenkrise bedeutet auch Spenglers ‘Untergang des Abendlandes’ mehr als ein auflagesteigerndes Schlagwort. In dieser weltgeschichtlichen Situati-on sollte die Auseinandersetzung mit der Antike, immer noch Europas ‘nächstes Fremde’ (Uvo Hölscher), nicht nur defensiv, etwa im Kampf um altsprachliche Stundentafeln und altertumswissenschaftliche Lehrstühle, ge-führt werden, vielmehr auch offensiv mit den kritischen Methoden der Gesellschafts- und Kommunikationstheo-rie, die in diesem Buch durch J. Habermas und die Rezeptionsästhetik M. Fuhrmanns und H. R. Jauß’ repräsen-tiert ist. Wir finden Verkörperungen, Spuren und Verfallserscheinungen einer Kultur des argumentierenden Re-dens und des müßigen Verweilens. Diese spiegelt, zusammen mit ihrer ökonomischen Basis, der Sklaverei, unse-re eigenen vielfältigen Abhängigkeiten vom Konsum-, Wachstums- und Machbarkeitswahn bis zu den Exzessen des Kapitalismus, und zeigt mögliche Wege der Befreiung auf. Die hier aus vier Jahrzehnten versammelten, aus verschiedenen Anlässen entstandenen Aufsätze entfalten diesen Ansatz auf mehreren Entwicklungsstufen und Ebenen der Analyse und Reflexion.
Der Autor: Daniel Aebli, geboren 1945 in Glarus/Schweiz, promovierte 1970/1971 in München als Klassischer Archäologe. Nach seiner Assistentenzeit in Salzburg habilitierte er sich 1976 in Konstanz für das Lehrgebiet ‘Theorie und Geschichte der Ästhetik’. Von 1977 bis 2007 lehrte er an der Hochschule Rhein Main (Wiesbaden) Kunst- und Kulturgeschichte.
Tabella dei contenuti
Vorwort
1. Projekt eines Brückenschlags zwischen N. Himmelmann-Wildschütz und J. Habermas
2. Kritische Theorie, Kunst und Altertum
3. Ikonologische Analyse mehrfiguriger plastischer Gruppen klassischer Zeit
4. Mündigkeit und Naturversöhnung
5. Der epische Held. Vorbemerkungen zu Homer und seinem Publikum
A. Rezeptionsästhetischer Rahmen der Homer-Tradition in Griechenland
B. Im Epos angelegte Muster möglicher Identifikation
C. Objektivierbare Erwartungshorizonte
D. Darstellung des epischen Vortrags und seines Publikums im Epos selbst
6. Bemerkungen zum Entwicklungsbegriff in Friedrich Schlegels Aufsatz
‘Über das Studium der griechischen Poesie’, besonders im Vergleich mit Winckelmann
7. Römer am Walensee. Versuch einer historischen Interpretation archäologischer Ausgrabungen an der Nordgrenze des Kantons Glarus
A. Die römischen Wachttürme in Zusammenhang imperialer Politik
B. Der Alpenraum und seine Eroberung in der römischen Propaganda
C. Der gallorömische Tempel in Hüttenböschen: ein Heiligtum des Merkur?
8. Die Nachahmung der Alten. Politischer und ästhetischer Klassizismus.
Bemerkungen im Anschluss an Jürgen Habermas und Dolf Sternberger
9. Paris und Helena, Hektor und Andromache. Zum Verhältnis der Geschlechter in der ‘Ilias’. Aus der literarischen Geschichte der Kommunikation
10. Wie modern ist die Antike?
A. Entwicklungs- und Kulturtheorie
B. Kognitive Sphäre
C. Moralisch-praktische Sphäre
D. Ästhetische Sphäre
E. Stagnation der antiken Moderne
F. Ökonomische Erklärung der Stagnation. Die Sklaverei
G. Die Stabilität und das Ende der antiken Moderne
11. Lysistrate und Perikles. Gedanken zum historischen Hintergrund und der Aktualität der Komödie des Aristophanes
12. Phaidros, der Rhetorik-Schüler. Das Vorspiel des platonischen Dialogs als Zeugnis für das System der Rhetorik
A. Redner und Rhetorik-Schüler im ‘Phaidros’, ‘Symposion’ und ‘Protagoras’
B. Körperhaltungen
C. Das rhetorische System und das Vorspiel des ‘Phaidros’
D. Der Ablauf des Vorspiels und die ‘Arbeitsstadien des Redners’
E. Varianten des ‘Vortrags’ und weitere Elemente des rhetorischen Systems
F. Beilage: Zum mythologischen ‘Exkurs’
13. Zur griechischen Rhetorik
A. Ablauf und Literatur
B. Sokrates und die Stufen des moralischen Bewusstseins im klassischen Athen
C. Platon, Isokrates und Demosthenes gegenüber der Krise der Polis
14. Esoterisch-Exoterisch / Mündlich-Schriftlich / Privat-Öffentlich.
Bemerkungen und Fragen zu: Th. A. Szlezák, Abbild der lebendigen Rede.
Was ist und was will ein platonischer Dialog?
15. Platon, Theaitetos: Proömium. Bemerkungen und Fragen zur äußeren Disposition
Nachweise
Index