Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.
›Der Findling‹ ist die Geschichte einer ödipalen Verstrickung, in der sich Begehren und Hass unheilvoll überlagern. Die Waise Nicolo findet Aufnahme in dem Haus von Elvire und Antonio Piachis, wo er die Leerstelle ausfüllt, die der frühverstorbene Sohn der beiden hinterlassen hat. Als er heranwächst, treten jedoch Abgründe in der Beziehung seiner Pflegeeltern wieder zutage, die sie alle in einen Strudel von sexuellem Verlangen, Ablehnung und Rachegelüsten stürzen.
Mit ›Der Findling‹ hat Heinrich von Kleist eine tiefgründige Erzählung über die verzehrende Kraft des Verlangens vorgelegt, wofür er zu Lebzeiten angefeindet und später als wahrer Moderner gefeiert worden ist.
Circa l’autore
Heinrich von Kleist, dessen Werk bereits auf die Moderne vorausweist, wurde am 18. Oktober 1777 in Frankfurt/Oder geboren. Die Beschäftigung mit Kants Philosophie löste 1801 eine Krise aus, die zur Infragestellung der Lebenspläne Kleists führte. Es folgten Reisen durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz. 1807 wurde Kleist von französischen Behörden unter Spionageverdacht verhaftet. 1809 publizierte er patriotische Lieder und Aufsätze gegen die französische Besatzung. Von 1810 bis 1811 war er Herausgeber der ›Berliner Abendblätter‹, zunehmende Schwierigkeiten mit der Zensur führten zu deren Verbot. Gemeinsam mit der krebskranken Henriette Vogel beging Kleist am 21. November 1811 am Ufer des Wannsees in Berlin Selbstmord.