Lange Zeit hat man den Kulturen der Vormoderne die Befähigung zu Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Dies geschah zu Unrecht, denn auch in den Jahrhunderten vor 1800 gab es institutionelle Ausprägungen, Lebenssituationen und Trägermilieus, soziale Vernetzungen und Regulierungsmechanismen von Wissenschaft. Öffnungsversuche gegenüber neuen Wissensfeldern, dezidierte Absonderungen von vermeintlich dilettantischem und unorthodoxem Wissen sowie der Umgang mit »geheimem« Wissen sind daher wichtige neue Phänomene, die dieser Band in Beiträgen von Vertretern unterschiedlicher kultur- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen eingehend untersucht.
Tabella dei contenuti
Inhalt
> Vorwort
Praktiken der Grenzziehung in Gelehrtenmilieus der Vormoderne. Einige einleitende Bemerkungen
Frank Rexroth
Auslegungskrisen. Grenzarbeiten zwischen Wissenschaft, Recht und Religion im französischen Bettelordensstreit des 13. Jahrhunderts
Sita Steckel
Disziplinen und Institutionen. Grenzen des Wissens im Mittelalter
Maarten J.F.M. Hoenen
Roger Bacon und die Geheimwissenschaften. Ein Grenzfall für die Wissenschaftskonzeptionen von Zeitgenossen und Nachwelt
Matthias Heiduk
Eine zu elitäre Wissenschaft. Astrologische Verfahren als Ausweis medizinischer Gelehrsamkeit von Thomas Bodier bis Giovanni Antonio Magini
< Sabine Kalff
‘Pour satisfaire à la curiosité des Princesses & des Dames de la Cour’. Grenzarbeiten am wissenschaftlichen Feld im Frankreich des 17. Jahrhunderts
Andreas Pietsch
Von Klio verstoßen. Praktiken der Abgrenzung in der Geschichtsschreibung des späten 17. Jahrhunderts
Andreea Badea
Mechanik und Mirakel: Johannes Andreas Schmidt (1652-1726) und die technischen Grenzen des Wunders in Helmstedt
Bernd Roling
Offenheit und Abgrenzung im Mathematikerkreis um Leibniz. Die Auseinandersetzungen mit Clüver und Nieuwentijt
Charlotte Wahl
Johann Christoph Götz (1688-1733). Ein Nürnberger Arzt, seine Patienten, das gelehrte Publikum und die Sprache der Wissenschaft
Kay Peter Jankrift
Ausgrenzung und Attraktivität. Kataloge seltener und gefährlicher Bücher als doppelter Wertmaßstab
Michael Multhammer
Literarische Repräsentationen intellektueller Milieus in China im 18. Jahrhundert. Die ‘Gelehrten’ des Romans Rulin waishi
Mareen Anders
Die Schuld als Ausschluss. Kommunikation über Wissenschaftlichkeit in Elogen auf Ehrenmitglieder der Berliner Akademie (1744-1760)
Anna Echterhölter
Geheimnis und Unendlichkeit bei Cureau de la Chambre und Condorcet
Laurens Schlicht
Johann Christoph Gatterer und die Grenzen historiographischer Wissenschaftlichkeit im 18. Jahrhundert
Martin Gierl
Die symbolischen Grenzen der Gelehrtenrepublik. Gelehrter Habitus und moralische Ökonomie des Wissens im 18. Jahrhundert
Marian Füssel
Samuel Simon Witte, Reiseberichte und wissenschaftliche Erklärungen von Persepolis und den Pyramiden um 1800
Marita Hübner
Hirschfeld versus Fürst de Ligne. Konkurrierende Autorinszenierungen und Grenzziehungspraktiken um 1800
Urte Stobbe
Agrarwissen und Volksaufklärung im langen 18. Jahrhundert. Was sehen historische Gewährsleute und was sehen ihre Historiker/innen?
Verena Lehmbrock
Gleichheit und Ungleichheit in den Wissenschaften. Debatten in der Académie royale des sciences 1720-1790
Caspar Hirschi
Blasphemie und Wissenschaft. Statt eines Nachworts: Abgründe der Gelehrtenrepublik in der Frühen Neuzeit
Martin Mulsow
Autorinnen und Autoren
Circa l’autore
Martin Mulsow ist Professor für Wissenskulturen der europäischen Neuzeit an der Universität Erfurt und Direktor des Forschungszentrums für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Gotha. Frank Rexroth ist Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen.