Die umgangssprachliche Rede vom ‘Prolligen’ verdeutlicht, wie im alltäglichen Kommentieren von Kleidung, Körperhaltung oder Frisur die wechselseitige Antipathie von sozialen Gruppen mitverhandelt wird. Wie hängen die eigenmächtige Stilisierung als ‘Proll’ und die feindselige oder spöttische Etikettierung von außen zusammen? Was bedeutet zum Beispiel die Aussage, man sei ‘auch nur ein Proll, aber ein Proll mit Klasse’? Auf der Grundlage ethnografischer Forschung bietet Moritz Ege Einblicke in solche ‘Klassifikationskämpfe’ und in die Lebenswirklichkeit junger Männer, deren proletenhafte Stilpraxis als Bedrohung und Provokation wahrgenommen wird. Dadurch kommen erstmals junge Erwachsene selbst zu Wort, die sonst nur Gegenstand von Debatten um gesellschaftliche Entwicklungen sind.
Tabella dei contenuti
Inhalt
I. Teil: Figuren ästhetischer Differenz und sozialer Ungleichheit: Ein Problemaufriss
1. ‘Prolls’ überall: Alltägliche Semantiken einer Figur
Das Vorhaben: Eine Kulturanalyse von Figurierungsprozessen auf mehreren Ebenen
2. Kulturanalyse von Figurierungsprozessen: Zur Methodologie
Kulturanalyse: ein kritisch-realistischer Ansatz
Figuren, Figurierungen, Figurationen
Figuren in der kulturwissenschaftlichen Forschung
Thesen zur Theorie der kulturellen Figur
Zwischenfazit
3. Schlaglichter: Stationen einer Figurierungsgeschichte
Anfänge: Figuren-Benennungen in Deutschland
Der Hooligan
Eckensteher, Straßenjungen, Halbstarke
Das Proletariat
Zur sozialwissenschaftlichen Figurierung: die ‘focal concerns’ der Unterschichtsjugendkultur
Die Realschullinie: Teenager und Halbstarke
Populäre Kultur und Figuren des Vulgären
Soziale, politische und symbolische Entproletarisierung
Zwischenfazit
Punk und die Schwelle zur Postmoderne
4. Forschungsstand: Jugend/sub/kulturen
Jugendsubkulturen heute
Stil: Kohärenz und Fragmentarität
‘Double Articulation’
Sozialität/Vergemeinschaftung
‘Techno-Tracys’ und die Hipness-Ökonomie
‘Chavs’ als konsumgesellschaftliche Figur der Prekarität
II. Teil: Berliner Figuren: Ein jugendsubkulturelles Figurierungsfeld
1. Eine post-proletarische Stadt
Proll-Sein: Eine Stilfrage?
2. Methoden: Eine ethnografische Kulturanalyse
Bei/mit Picaldi
Eiertanz und Einverständnis
Informelle Gruppen: Tempelhof und Pankow
Stadt-, medien- und kleidungsethnografische Methoden
Gender-Fokus: junge Männer und Männlichkeiten
3. Picaldi-Style: kontroverse Hosen & Figuren
‘Von Kreuzberg in die Charts: Die Picaldi-Story’
Karottenjeans und Männer-Körper
Picaldi und Prestige
Relationen/Relationalität
Picaldi-Hass
‘Authentische Kommodifizierung’
Von Zuckerfest bis Jugendweihe
Territoriale Wahrnehmungsästhetiken
Sozialstruktur der Picaldi-Kundschaft
‘Früher eher baggy, jetzt normal Gangster’
Gangsters und Gangstas
Kanaken-Style
Player und Playboys
Styler
Atzen-Style
‘Prollig’ und ‘Prolls’
Berliner Figuren (Zwischenfazit)
Einschub: Methodenfragen
Transversale Diffusion und gespenstische Affinität
III. Teil: Proll-Figuren in gesellschaftlichen Diskursen
1. What is being made of some people
2. Figurierungs-Komplexe: Zeitungen und Popkultur
Zeitungen: Inhalts- und Diskursanalyse
Assoziationen/Sympathien
Einstellungen
Antonyme
Typologien
‘Metaerzählungen’
Performativität und Antagonismen
3. ‘Der weite Kosmos des Proll-TV’: Die Knowingness der populären Kultur
Figuren, Formate und Personen
Figurierungs-Reflexivität
Von den Proll-Figuren der ‘Unterschichtfernsehen’-Debatte zur Sozialdisziplinierung?
Der Deutsch-Rap-Komplex
Bushido und die ‘Proll-Schiene’
Sido: Der Straßenjunge als ‘asozialer Proll und Prolet’
Fazit: Deutsch-Rap-Komplex
IV. Teil: Stil und Selbst-Figurierung zwischen Eskalation und Reflexivität
1. Individuelle Stil-Praktiken und gemeinsame kulturelle Themen
Kleidung und Stil: Forschungsperspektiven
2. De-/Eskalation durch Stil: Figurierungsgeschichten und Kontexte
Mesut
Robbie
Territoriale Gesten und Ästhetiken
Tarek
Ein Recht auf Ambivalenz?
Zwischenfazit
Drei Arten von ‘Möchtegerns’
3. Reflexivität, Reflektiertheit und die Stilisierung des ‘Prolligen’
Yusuf – Jörg – Reflexive Prolls und reflektierte Proleten- Tim -Repertoirisierung und Distanzierung des ‘Prolligen’ – Repertoirisierung: Formen, Funktionen, Politiken – Yusuf: Switching als Selbstbehauptung -Performative Repertoirisierung: Diskurs-Figuren – Repertoirisierung und Reflexivität: ethnografisch-kulturanalytisches Fazit Resümee und Schlussbetrachtungen – Verkörperungen: Figuren von Prekarität, Gefährdung und Stärke – Die Proll-Figur: Benennungen und Figurierungen – Benennungen: Eine unabgeschlossene Resignifizierung Anhang
Einige Macht- und Repräsentationsfragen Nähe und Distanz: akzeptable Inkompetenz und das ‘Auto-Ethno-Kontinuum’
Literatur
Danksagung
Circa l’autore
Moritz Ege, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der LMU München.