Je nach Definition sind über 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland psychisch stark belastet oder sogar manifest psychisch krank. Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums gehen rund zehn Prozent der Fehltage bei den Berufstätigen auf Erkrankungen der Psyche zurück. Depressionen, Alkoholerkrankungen, bipolare Störungen und Schizophrenien
gehören dabei zu den häufigsten Krankheitsbildern.
Trotz dieser enormen Verbreitung gehören psychische Erkrankungen zu den weiterhin sehr stabilen Tabus. Man spricht über vieles, man klagt auch über vieles, aber nach wie vor verschweigt man eher, wenn man eine Psychotherapie in Anspruch nimmt, hinsichtlich psychischer Beschwerden Medikamente einzunehmen hat oder stationäre Aufenthalte benötigt. Physische
Erkrankungen sind erheblich öffentlicher und gesprächsneutraler als psychische. Das kann sogar so weit gehen, dass man letztere verharmlost: Jeder hat doch mal Schlafbeschwerden; jede kurbelt doch im Hamsterrad; Panik schieben wir doch alle irgendwie. Alles nicht so tragisch.
Das Themenheft hat drei Ziele: Es will zunächst über psychische Erkrankungen informieren. Raus aus der Schweigespirale damit! Zweitens kommt die enge Verbindung von Psychologie und Seelsorge in den Blick. Wo kann man sich ergänzen, wo sollte man delegieren? Drittens erhalten
Sie Einblicke, wie und wo christliche Seelsorge die Tabu- und Stigmalogik rund um psychische Erkrankungen aufdecken und durchbrechen kann.
Unsere Gesprächspartnerin im Interview sagt es so: ‘Dass Gott auch mitten im Zerbrechlichen da ist, sollten wir vielleicht stärker in den Vordergrund stellen.’
Circa l’autore
Ute Leimgruber, Dr. theol., Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik
an der Universität Regensburg.
Bernhard Spielberg, Dr. theol., Professor für Pastoraltheologie und Homiletik
an der Universität Freiburg.