In den hier versammelten Aufsätzen geht es – direkt oder in der Weiterwirkung – um den geistigen Umbruch, der im 12./13. Jahrhundert die abendländisch-westliche Kultur grundlegend umgestaltet und den Weg zur Neuzeit vorbereitet hat. Im Zentrum stehen zwei hervorragende Innovationen: zum einen der Entwurf einer fiktionalen Literatur, die nicht mehr wie das traditionelle Weltverständnis über die Wahrheit verfügt, sondern sie erst sucht, und zum andern die Idee einer neuen, personalen Du-Beziehung sowohl als religiöse wie als zwischengeschlechtlich-erotische Erfahrung.
Tabella dei contenuti
Inhalt: I. Übergreifende Themen: 1. Macht und Liebe: Das Geständnis. – 2. Einsame Erfahrung und gesellschaftliche Integration: Zur Anthropologie eines narrativen Musters. – 3. Die Verwandlungen des Körpers im Übergang von der Aufführung zur Schrift. – 4. Der Zufall: Theodizee und Fiktion. – 5. Der Teufelspakt vor Goethe oder Wie der Umgang mit dem Bösen zu Beginn der Neuzeit in die Krise gerät. – II. Literaturtheorie: 1. Autorität und literarische Freiheit. – 2. Die Entdeckung der Fiktionalität. – 3. Das literaturtheoretische Konzept Wolframs von Eschenbach: Eine neue Lektüre des »Parzival«-Prologs. – 4. Erzählung und Reflexion in Gottfrieds »Tristan«. – 5. Für eine Ästhetik des Widerspruchs. – III. Erotik und Fiktion: 1. Gloser la lettre oder Marie de France, die Liebe und die Allegorie. – 2. Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue: Erec und des hoves vreude. – 3. Chrétiens »Yvain« und Hartmanns »Iwein«: Das Spiel mit dem arthurischen Modell. – 4. Gottfried von Straßburg und das »Tristran«-Fragment von Carlisle. – 5. Das Experiment mit der personalen Liebe im 12./13. Jahrhundert. – IV. Zum späteren Roman: 1. Der »Walewein«: ein nachklassisches arthurisches Experiment. – 2. Der Prosaroman von der Königin Sibille. – V. Sinnkonstitution in der Heldenepik: 1. Von der Schwierigkeit heimzukehren. Die Walthersage in ihrem motivgeschichtlichen und literaturanthropologischen Kontext. – 2. Das Nibelungenlied und die Rückkehr des Autors. – VI. Der Widersinn, das Gelächter und die Moral: 1. Die Lust am Widersinn: Chaos und Komik in der mittelalterlichen Kurzerzählung. – 2. Schwarzes Lachen. – 3. Das Böse und die Moral: Erzählen unter dem Aspekt einer narrativen Ethik. – 4. Boccaccio und die Tradition der mittelalterlichen Kurzerzählung. – VII. Exegese und religiöse Erfahrung: Die personale Wende in der geistlichen Tradition: 1. Göttliches Geheimnis und dunkler Stil. – 2. Der Kommentar und sein Subjekt: Grundpositionen exegetischer Kommentierung in Spätantike und Mittelalter. – 3. Wendepunkte in der abendländischen Geschichte der Mystik. – 4. Gotteserfahrung und Du-Begegnung: Korrespondenzen in der Geschichte der Mystik und der Liebeslyrik. – 5. Innerlichkeit, Körperlichkeit und Sprache in der spätmittelalterlichen Frauenmystik. – 6. Bonaventuras »Itinerarium mentis in Deum«. – 7. Eckharts Predigt »got ist mynne«. – 8. Eckharts deutsches Predigtwerk: Mystische Erfahrung und philosophische Auseinandersetzung. – 9. Nicolaus Cusanus zwischen Meister Eckhart und Cristoforo Landino: Der Mensch als Schöpfer und der Weg zu Gott. – 10. Der scheiternde Platonismus in Giordano Brunos »Heroici Furori«. – 11. Der Durchbruch durch die Zeit in der abendländischen Mystik. – VIII. Zur Wissenschaftsgeschichte: 1. Literaturgeschichte und Triebkontrolle. Bemerkungen eines Mediävisten zum sogenannten Prozeß der Zivilisation. – 2. Kulturtheorie und Literaturgeschichte. – 3. Warum darf Literaturwissenschaft nicht Literaturwissenschaft sein? – 4. Rainer Warning, Friedrich Ohly und die Wiederkehr des Bösen im geistlichen Schauspiel des Mittelalters. – 5. Hugo Kuhn und die Krise der Literaturwissenschaft im 20. Jahrhundert. – 6. Die Zukunft der Geisteswissenschaften.