Für die Kulturgeschichte des westlichen Abendlandes seit der Antike sind Imaginationen von Farben in Literatur und Kunst konstitutiv. Besonders das christliche Mittelalter bedient sich der Farben, vielfach in Form einer bildkünstlerischen oder sprachlich erzeugten Zusammensetzung monochromer Flächen, um etwa die Substantiierung des Göttlichen in den ‘colores’ zur Anschauung zu bringen oder Aspekte des sozialen Status von Personen, höfischer Pracht oder sozialer Unordnung darzulegen. Zu zeigen gilt es, dass Farben mithin im Rahmen kultureller Selbstvergewisserungsdebatten auch in Literatur und Kunst als sinngenerierende Medien und keineswegs als bloßes Dekorum fungieren. Die in diesem Band versammelten Beiträge gehen davon aus, dass die vielfältigen Verfahren der Farbevokation, wie sie in Literatur und Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart begegnen, Teil jener historisch allererst präzise zu ermittelnden Selbstbeschreibungsverfahren sind, die Konzepte von gesellschaftlicher und personaler Identität erzeugen. An exemplarischen Erzähltexten aus Mittelalter und Neuzeit sowie an Beispielen aus der Kunstgeschichte erarbeiten die Autoren einerseits poetologisch-ästhetische Implikationen von Farballusionen und andererseits deren diskurshistorische Zusammenhänge. Der Band umfasst in seinem Kern Arbeiten zu den Farbsemantiken in der höfischen Erzählliteratur. Ausgehend von diesem Zentrum werden die Farbdiskurse der neueren Literatur exemplarisch erörtert. Dies geschieht z. B. an Goethes Farbenlehre, dem Antikediskurs der deutschen Klassik oder an rassistischen Farbstereotypen im 19. und 20. Jahrhundert. Darüber hinaus werden die Funktionen von Blutseiten in spätmittelalterlichen Handschriften erörtert, die Rezeption von Pontormo in Video-Klang-Installationen der Gegenwartskunst sowie die Farben der Karthographie.
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Monika Schausten ist Professorin für Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität zu Köln