Als im Dezember 2001 im Rahmen des Afghanistan-Krieges die Kämpfer von Al-Qaida die Höhlen von Tora Bora aufgeben mussten, soll die von US-Streitkräften geführte Koalition ein mit handschriftlichen Anmerkungen versehenes Exemplar des Clausewitzschen ‘Vom Kriege’ gefunden haben. Dass Al-Qaida Ideen der ‘Ungläubigen ‘ übernimmt, in ihren Ausbildungslagern westliche Texte zirkulieren lässt und zeitgenössisches strategisches Denken, Equipment etc. aus dem Westen in ihrem Kampf nutzt, ist schon seit längerem bekannt. Aber nicht erst im Zeitalter des Internet sind militärische Lernprozesse über Kulturengrenzen hinweg alltäglich. Sie waren es auch schon in der Phase der europäischen Expansion und der in diesem Kontext geführten Kolonial- bzw. Imperialkriege. Vierzehn international renommierte Historikerinnen und Historiker fragen in Fallstudien nach den Transfers von Wissen, Waffen, Ausrüstung oder Doktrinen in imperialen Kriegen, vorzugsweise in solchen Situationen, in denen die Gegner vor der Konfrontation wenig bis nichts voneinander und übereinander wussten. Die Autorinnen und Autoren unterstreichen die Relevanz von Anpassungs- und Transferprozessen in der imperialen Expansion und vermessen deren Bedeutung für militärischen Erfolg oder Misserfolg. Das Spektrum der Beispiele reicht dabei von der mongolischen Invasion in Japan 1274 über die spanische Eroberung Mexikos 1518 bis zu den Kriegen der Hehe gegen die deutsche Kolonialtruppe in Ostafrika 1891. Drei einführende Beiträge zu den Konzepten von Lernen in transkulturellen Erstkonflikten, zur Bedeutung von kulturellen Vermittlern und zu den spezifischen Formen tribaler Kriegführung in gewaltsamen transkulturellen Konflikten bieten einen wertvollen Rahmen für diesen Band und künftige Forschung.
Jadual kandungan
Inhalt
Birthe Kundrus und Dierk Walter
Anpassung und Lernen in transkulturellen Erstkonflikten. Fragen – Hintergründe – Befunde
Marian Füssel
Lernen – Transfer – Aneignung. Theorien und Begriffe für eine transkulturelle Militärgeschichte
Jürg Helbling
Tribale Kriege und expandierende Staaten
Mark Häberlein
Macht und Ohnmacht der Worte. Kulturelle Vermittler in gewaltsamen Konflikten zwischen Europäern und Außereuropäern
Ross Hassig
Die Eroberung Mexikos: Kulturkonflikt und Konsequenzen
Armstrong Starkey
Lernen im Kolonialkrieg: Englisch-Nordamerika
Thomas J. Lappas
Lernen inmitten des Blutvergießens: Französisch-indianische Interaktionen in der Erkundungsphase in Nordamerika
Michael W. Charney
Iberier und Südostasiaten im Krieg: Die Eroberung von Melaka 1511 und ihre Folgen
Michael Khodarkovsky
Krieg und Frieden: Was Russland an seinen asiatischen Frontiers (nicht) lernte
John Connor
Briten und Darug: Gewalttätige Erstkontakte in Australien 1788-1816
James Belich
Krieg und transkulturelles Lernen in Neuseeland im 19. Jahrhundert
Tanja Bührer
Die Hehe und die Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika: Die Schlacht bei Rugaro 1891
Reinhard Zöllner
Verfluchen oder Verhandeln? Die mongolischen Invasionen in Japan 1274 und 1281
Zu den Autorinnen und Autoren
Mengenai Pengarang
Birte Kundrus, Prof. Dr. phil., geb. 1963, Historikerin, Professorin für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Hamburg. Bis Dezember 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich ‘Theorie und Geschichte der Gewalt’ des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Mitherausgeberin der ‘Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus’ und der ‘Historischen Anthropologie’. Dierk Walter, PD Dr. phil., geb. 1970, Historiker; wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich ‘Theorie und Geschichte der Gewalt’ des Hamburger Instituts für Sozialforschung; lehrte Neuere und Neueste Geschichte an den Universitäten Bern (Schweiz) und Hamburg.