Die staatlichen Pflichten, die sich aus dem Menschenrecht auf Gesundheit ergeben, werden inzwischen weit gefasst und diskutiert. Soll der Staat wirklich im Namen der Gesundheit menschenrechtlich verpflichtet sein, die Freizeit- und Lebensgewohnheiten der Menschen zu steuern? Und wenn ja, wie weit soll er dabei gehen? Oder geht es bei dem Menschenrecht auf Gesundheit nicht doch eher darum, dass der Staat nicht selbst die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt und die Menschen vor gesundheitsschädlichen Eingriffen schützt? Oder bezieht sich das Menschenrecht auf Gesundheit vor allem auf eine angemessene medizinische Versorgung, die weltweit unzähligen Menschen verwehrt bleibt? Tatsächlich ist das Menschenrecht auf Gesundheit komplex und vielschichtig – und bedarf dringend der Konkretisierung.
In diesem Heft werden die völkerrechtlichen Grundlagen und die inhaltlichen Grundzüge des Menschenrechts auf Gesundheit aus juristischer, politischer und philosophischer Sicht darlegt und die daraus entstehenden staatlichen Pflichten umrissen. Die Beiträge beschäftigen sich u.a. mit der medizinischen Versorgung von Migrantinnen und Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus und mit der sozial ungleichen Verteilung von Gesundheitschancen und Erkrankungsrisiken in Deutschland sowie mit der Rechtsprechung zum Menschenrecht auf Gesundheit in Argentinien.
In einem Forums-Beitrag pocht der Geschäftsführer von medico international auf öffentliche Verantwortung und skizziert – am Beispiel Südafrikas – die Bedeutung menschenrechtlichen Empowerments und der solidarischen Begleitung der Betroffenen in der Praxis. Außerdem enthält das Heft ein Interview mit dem UN-Sonderberichterstatter zum Menschenrecht auf Gesundheit, Dainius Puras.
Jadual kandungan
Menschenrechte und Gesundheit
Michael Krennerich:
Das Menschenrecht auf Gesundheit
Lisa Forman:
Can Core Obligations under the Right to Health Achieve their Ambitions?
Thomas Schramme:
Setting limits to public health efforts and the healthisation of society
Laura Clérico/Leticia Vita:
Wer klagt? Rechtsstreit um Gesundheit in Argentinien – Gerechtigkeit für alle?
Thomas Lampert:
Soziale Ungleichheit der Gesundheitschancen und Erkrankungsrisiken in Deutschland
Hintergrund
Maren Mylius/Andreas Frewer:
Zugang zu medizinischer Versorgung von Migrant Innen ohne legalen Aufenthaltsstatus.
Zwischen Notfallversorgung, Infektionsschutz und humanitärer Hilfe
Elène Misbach:
„Sich für Gesundheit stark machen’ – Solidarische Flüchtlingsarbeit als gemeinsamer sozialer Kampf um Rechte
Forum
Thomas Gebauer:
Pochen auf öffentliche Verantwortung – Menschenrechtliches Empowerment in der Praxis
Promoting the right to health through dialogue
Interview with Dainius Puras, UN Special Rapporteur on the Right to Health
Tour d’horizon
Gendersensible Sprache – Ansichten aus dem Herausgeberkreis
Buchbesprechungen
Mengenai Pengarang
Laura Clérico
ist Professorin für Verfassungsrecht und Menschenrechte an der Universität von Buenos Aires. Sie ist Mitherausgeberin eines dreibändigen „Tradado de Derecho a la Salud’ (2013).
Lisa Forman
arbeitete in den 1990er Jahren als Menschenrechtsanwältin in der Republik Südafrika und forscht inzwischen als Professorin an der Dalla Lana School of Public Health in Toronto.
Andreas Frewer
ist Arzt und Professor für Ethik in der Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg sowie einer der beiden Leiter des interdisziplinären Projekts „Human Rights in Healthcare’ an der FAU.
Thomas Gebauer
ist Psychologe und Geschäftsführer von ‘medico international’. Er ist Mitbegründer der ‘Internationalen Kampagne gegen Landminen’, die 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Michael Krennerich
ist Privatdozent am Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik und einer der Programmdirektoren des „Master Human Rights’ an der Universität Erlangen-Nürnberg; er ist Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrums.
Thomas Lampert
ist Privatdozent und stellvertretender Leiter des Fachgebiets Gesundheitsberichterstattung am Robert Koch-Institut in Berlin.
Elène Misbach,
Diplom-Psychologin, engagiert sich im Berliner Medibüro-Netzwerk für das Recht auf Gesundheit von Migrant*innen. Hauptberuflich ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und der Amadeu Antonio Stiftung.
Maren Mylius
ist wissenschaftliche Gastmitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, FAU-Erlangen-Nürnberg, und Assistenzärztin Psychiatrie. Zudem ist sie im Vorstand der Medizinischen Flüchtlingsberatung Hannover e.V.
Dainius Puras,
Psychiater und Menschenrechtsaktivist aus Litauen, bekleidet seit August 2014 das Amt des UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Gesundheit. Von 2006 bis 2011 war er Mitglied des UN-Kinderrechtsausschusses.
Thomas Schramme
ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Hamburg. Mit Prof. Dr. Stefan Huster leitete er 2013/14 eine Forschergruppe am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung in Bielefeld zum Thema ‘Normative Aspekte von Public Health’.
Leticia Vita
studierte Jura und Politikwissenschaft und ist Professorin für Staatslehre an der Universität von Buenos Aires.