‘… Europa hat eine Macht erlangt, die in der Geschichte unvergleichlich ist: die vielen Hauptstädte, die Vielzahl und die Schnelligkeit seiner Expeditionen, der öffentliche und der private Verkehr haben es zu einer großen Republik werden lassen …’
Der Satz stammt nicht etwa aus einer Werbebroschüre zur Europawahl, sondern von Antoine de Rivarol (1753-1801) und aus dem Jahr 1783. Allerdings mit dem Zusatz: ‘… die sich für eine Sprache entscheiden muss’ – schließlich spricht er von der weltweiten Gültigkeit der französischen Sprache. Das Thema war übrigens von der Berliner Akademie in ihrer Ausschreibung für den Wettbewerb von 1783 so vorgegeben. Rivarol gewann damals den ersten Preis und wurde mit einem Schlag europaweit berühmt. In Frankreich steht die Rede bis heute auf den Lehrplänen, jetzt erscheint sie erstmals in deutscher Sprache, denn auch die Berliner Akademie verhandelte damals auf Französisch. Diese Preisrede ist noch heute nicht nur hochaktuell durch ihre treffenden Beschreibungen der verschiedenen europäischen Kulturen und ihrer Sprachen, sie verbirgt ihre polemische Vehemenz hinter einem mitreißenden Humor, ist elegant und flüssig geschrieben und bietet damit einen großen Lesegenuss.
Over de auteur
Antoine de Rivarol (1753-1801), französischer Schriftsteller, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend, wurde zunächst als Satiriker und Salon-Animateur bekannt. Er verschaffte sich so Zugang zur Pariser Salon-Aristokratie, veröffentlichte in der renommierten Zeitschrift Mercure de France. Europaweit berühmt wurde er durch seine Akademie-Rede. In der Revolutionszeit vertrat Rivarol als Journalist die Monarchie und musste deswegen 1792 Frankreich verlassen. Ab 1795 hielt er sich in Hamburg, ab 1800 in Berlin auf. Dort, kurz vor seiner Rückkehr ins nunmehr napoleonische Frankreich, starb er 1801.
Dany Laferrière, geboren 1953 in Port-au-Prince, Haiti, arbeitete zunächst als Journalist bis er sich unter dem Druck des politisch repressiven Klimas 1976 gezwungen sah, nach Montréal ins Exil zu gehen. 1985 veröffentlichte er seinen ersten Roman unter dem provokativen Titel Comment faire l’amour avec un nègre sans se fatiguer, der ihn als Autor unmittelbar bekannt machte. Er wurde mit dem Prix Carbet de la Caraïbe und dem Buchpreis des französischen Auslandsrundfunks ausgezeichnet. Für seinen Roman L’énigme du retour (Das Rätsel der Rückkehr) erhielt er 2009 den prestigeträchtigen Prix Médicis. Das Rätsel der Rückkehr ist seine erste Veröffentlichung im deutschen Sprachraum. Der Autor lebt in Montréal und Miami. Seit 2014 ist er Mitglied der Académie française. 2014 bekam er gemeinsam mit seiner Übersetzerin Beate Thill den renommierten, vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin vergebenen, Internationalen Literaturpreis.