»There is only one good thing about a small town. You know that you want to get out.« Diese Songzeile von Lou Reed könnte über den frühen Jahre von Hans Ulrich Obrist stehen. Aufgewachsen im Schweizer Provinzstädtchen Weinfelden am Bodensee, wurden für den jungen Obrist ausländische Zeitungen vom Bahnhofskiosk, Bücher, Filme, aber vor allem die Begegnungen mit alter und zeitgenössischer Kunst zu Fluchtmöglichkeiten aus einem Milieu, das ihm schon früh viel zu klein war. Und viel zu langsam. Ein schwerer Unfall im Alter von sechs Jahren brachte die Erkenntnis, dass keine Zeit zu verlieren sei. Und so saugte Obrist alles auf und machte sich auf den Weg. Paris, Wien und Rom waren seine Sehnsuchtsorte und die ersten Destinationen seiner persönlichen Grand Tour durch Europa, die den Teenager mit Nachtzügen zu Künstlerlegenden wie Fischli / Weiss, Etel Adnan oder Gerhard Richter führten. »Eine Begegnung kann ein Leben verändern, sie kann fünf Jahre an der Uni ersetzten, wie ein Kurzschluss.« Über die Kurzschluss-Begegnungen mit Menschen, die ihm zu Mentor*innen wurden, darunter Édouard Glissant, erzählt Hans Ulrich Obrist in »Ein Leben in progress« und lässt gleichzeitig zum ersten Mal einen sehr persönlichen Blick auf sein Leben zu, von der ersten Ausstellung in der Küche seiner Studentenwohnung in Sankt Gallen (mit 29 Besucher*innen) bis zum viel umworbenen und erfolgreichen Kurator und Gesprächspartner unzähliger Künstler*innen aus der ganzen Welt.
Over de auteur
HANS ULRICH OBRIST, 1968 im schweizerischen Weinfelden geboren, gilt seit Jahrzehnten als einer der bedeutendsten Ausstellungsmacher unserer Tage. So kuratierte er unter anderem Ausstellungen im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, in der Kunsthalle Wien, den Hamburger Deichtorhallen und im New Yorker PS1. Der Leiter der Londoner Serpentine Galleries hat zahlreiche Werke publiziert, u.a. Kuratieren! (2015), und, im Rahmen seines »Interview Project«, Gespräche geführt mit Künstlern und Künstlerinnen wie John Baldessari, Zaha Hadid, Yoko Ono, Robert Crumb und eben Gerhard Richter, mit dem Obrist eine langjährige Freundschaft verbindet.