Die Gleichberechtigung verschiedener sexueller Orientierungen ist inzwischen anerkanntes Ziel psychologischen und pädagogischen Bemühens, dennoch hinkt die Umsetzung hinterher. Homosexualität gilt weiterhin als ‘heißes Eisen’, an dem sich Psychotherapeut Innen und Lehrer Innen oft genug die Finger verbrennen.
Versuche der Pathologisierung und Heilung der Homosexualität sind weitgehend überwunden, in der psychologischen und pädagogischen Praxis werden Schwule und Lesben zunehmend als Menschen ernst genommen, die anhaltende Hegemonie einer normativen Heterosexualität wird längst kritisiert.
Die Toleranz einer ‘emanzipatorischen’ Psychologie und Pädagogik begnügt sich jedoch oft damit, neue Schubladen in Form einer schwulen oder lesbischen Identität anzubieten. Damit bestätigt sie einerseits die Dichotomie von ‘normaler’ Hetero- und ‘abweichender’ Homosexualität. Andererseits schreibt sie Strukturen fest, in denen Uneindeutigkeiten und fließenden Übergänge, ‘schwule Mädchen’ oder Transgender keinen Platz haben. Mit dieser Problematik beschäftigt sich das vorliegende Buch und fordert eine Öffnung der Pädagogik und Psychologie, um den Spielraum für eine freie Entwicklung zu weiten.
Als Einführung in die psychologische, pädagogische und politische Praxis richten sich die Beiträge dieses Buchs vor allem an Lehrer Innen, Mitarbeiter Innen in der außerschulischen Jugendarbeit, Sozialpädagog Innen oder Psychotherapeut Innen. Sie bieten einen historischen Rückblick, eine Darstellung und Kritik gegenwärtiger emanzipatorischer Ansätze und diskutieren aus dem Kontext der Queer Theory methodische Anregungen für eine zeitgemäße Neuorientierung.
Der Kulturwissenschaftler Lüder Tietz thematisiert die Psychiatrisierung der männlichen Homosexualität im 19. Jahrhundert und diskutiert deren noch heute andauernde Folgen. Zudem zeigt er Paradoxien der schwulen- und lesbenakzeptierenden Beratung und Therapie. Der Sexualpädagoge Stefan Timmermanns stellt die schwul-lesbische Aufklärungsarbeit an Schulen vor und evaluiert diese anhand eigener Untersuchungen. Die Sexualpädagogin Elisabeth Tuider schlägt aufgrund aktueller Diskussionen um Geschlecht, Sexualität und Kultur eine ‘Verqueerung’ der Sexualpädagogik vor.
Ein Anhang enthält exemplarische Methoden für eine schwul-lesbisch-queere Pädagogik und Psychologie.
Inhoudsopgave
Aus dem Inhalt:
Lüder Tietz: Homosexualität als Perversion? Historische Dimensionen psychiatrischer, psychoanalytischer und psychologischer Konzepte
Lüder Tietz: Gay Counseling. Schwulen- und lesbenakzeptierende Beratung und Therapie
Stefan Timmermanns: Aufklärung aus der Kiste. Eine Einführung zur ‘Sch LAue(n) Kiste’ aus Nordrhein-Westfalen
Stefan Timmermanns: Chancen und Grenzen schwul-lesbischer Aufklärungsarbeit
Elisabeth Tuider: Im Kreuzungsbereich von Geschlecht – Sexualität – Kultur. Herausforderungen der Intersektionalität an eine queere (Sexual-) Pädagagik
Elisabeth Tuider, Stefan Timmermanns und Lüder Tietz: Exemplarische Methoden für eine schwul-lesbisch-queere Pädagogik und Psychologie
Over de auteur
Lüder Tietz, geboren 1966, studierte Ethnologie, Psychologie und Geschlechterstudien, bildete sich in interkultureller Beratung und NLP fort und promoviert zu indigenen Schwulen und Lesben Nordamerikas.
Stefan Timmermanns, geboren 1968, Dr. paed., Unterrichtsbeauftragter an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Sexualpädagogik.
Elisabeth Tuider, geboren 1973, Dr. phil., Diplom-Pädagogin, Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Soziologie der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Sexualpädagogik.