»Ich hatte seit Jahren nicht mehr an meine Mutter gedacht. Und geglaubt (und, ja, gehofft), die Verbindung zwischen uns sei für immer abgerissen. Holte mich nun alles wieder ein? Die eigenen Wurzeln, das begriff ich plötzlich, lassen sich nicht kappen, so sehr man es auch versucht.«
Seit zehn Jahren hat Henry Kaplan nichts von seiner Mutter gehört. Bis zu dem Anruf aus dem Uni-Klinikum Frankfurt. Seine Mutter sei auf dem Bahnhof zusammengebrochen und liege auf der Intensivstation. Im Koma. Henry sei als Notfallkontakt verzeichnet. Und so fährt der Antiquar aus dem Schwarzwald nach Hessen, ans Krankenbett der Mutter. Es wird eine Reise, die Mut von ihm verlangt und zugleich schmerzhafte Erinnerungen weckt. Henry war vier Jahr alt, als seine Mutter ihn das erste Mal verlassen hat. Ohne ein Wort ist sie in ein wartendes Taxi gestiegen und davongefahren. In ein Leben ohne ihn. Nach ein paar Monaten bei der Großmutter kommt er ins Heim. Eines von vielen traumatischen Erlebnissen. Kann man die Zeit kommentarlos zurückdrehen? Das lebenslange Gefühl von Verlassenheit, die Enttäuschungen und Kränkungen beiseiteschieben? Henry Kaplan begreift, dass dieser Moment auch eine Chance ist. Dass er womöglich erst frei sein wird, wenn er ihr vergibt.
Over de auteur
Peter Henning, 1959 in Hanau geboren, studierte Germanistik und Philosophie in Frankfurt am Main und lebt heute als freier Schriftsteller und Journalist in Köln. Seit 2015 unterrichtet er zudem als Lehrbeauftragter der Universität Köln Kreatives Schreiben. Seine literarische Arbeit wurde mit Stipendien der Kunststiftung NRW und der Robert Bosch Stiftung gefördert. Zuletzt erschien sein Roman »Die Tüchtigen« im Luchterhand Literaturverlag.