Stalins Sowjetunion duldete keine Nomaden. Die im Land umherziehende Bevölkerung war weder politisch noch ökonomisch kontrollierbar. Staatliche Herrschaft ließ sich unter diesen Umständen kaum durchsetzen. So begannen die Bolschewiki Ende der 1920er Jahre mit der konsequenten Unterwerfung der multiethnischen Bevölkerung Kasachstans mittels Sesshaftmachung, Kollektivierung und Dekulakisierung.
Die Requirierung der landwirtschaftlichen Ressourcen, vor allem der Viehherden, zerstörte die Lebensgrundlagen der kasachischen Nomaden. Die Ökonomie der Steppe brach zusammen. Eine präzendenzlose Hungerkatastrophe, die zwischen 1930 und 1934 mehr als eineinhalb Millionen Menschen das Leben kostete und Hunderttausende zu Flüchtlingen machte, war die Folge.
Sowjetisierung durch Hunger – so nennt Robert Kindler das Projekt der Bolschewiki, Menschen durch die Inszenierung von Krisen in gehorsame Untertanen zu verwandeln. Je desaströser die Krise, je schlimmer Chaos und Elend waren, desto größer wurde die Macht der Herrschenden.
Robert Kindler untersucht nicht nur die Auslöser der Hungersnot, sondern auch, was sie über die Herrschaftsdurchsetzung an der sowjetischen Peripherie aussagt. Seine innovative Analyse führt zum Kern stalinistischer Herrschaft.
Inhoudsopgave
Inhalt
Einleitung
Kontexte – Nomaden und russische Kolonialmacht
Bedingungen – Sowjetmacht in der Steppe
Sowjetisch in der Form, traditionell im Inhalt
‘Der Weg zum Sozialismus’ –
Die Zukunft der kasachischen Nomaden
‘Kolonisatoren’ und ‘Parias’ –
Europäische Bauernsiedler in Kasachstan
In der Logik der Klans – Netzwerke in der Parteiführung
Attacken – Kollektivierung und Sesshaftmachung
Lernorte der Repression
Methoden des Zwangs – Kollektivierung und Dekulakisierung
Ein ‘realistischer Plan’ – Die Kampagne zur Sesshaftmachung
Aufruhr – Bürgerkrieg und Exodus
‘… so suchen sie jetzt uns’ – Fragmentierter Bürgerkrieg
Ausweitung der Kampfzone –
Krieg im sowjetisch-chinesischen Grenzland
Auf der Flucht
Hunger – Katastrophe und Neuordnung
Dimensionen der Katastrophe
‘Lebende Skelette’ – Hunger und soziale Desintegration
‘Wir müssen den Augenblick nutzen’ – Die Kader und die Krise
Auswege und neue Abhängigkeiten
Optionen – Nomadismus als sowjetische Existenzform
Was bleibt
Dank
Glossar
Abkürzungen
Literatur
Over de auteur
Robert Kindler, Dr. phil., geb. 1978, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Geschichte Osteuropas der Humboldt-Universität zu Berlin und Redakteur für osteuropäische Geschichte bei H-Soz-u-Kult.