Todorov ist einer der bedeutendsten Intellektuellen, seine Schrift ist eine meisterhafte Tour d’horizon durch Geschichte, Politik und Philosophie – und ein echter ‘Werkzeugkasten’ zur Entschlüsselung der Herausforderungen unserer Zeit.
‘Der Kampf der Kulturen: die westlichen Demokratien auf der einen, der Islam auf der anderen Seite. Zwei Welten, gefangen in ihren historischen, kulturellen und religiösen Unterschieden und daher zum Konflikt verurteilt.’ Auf der Grundlage dieses dualistischen Denkens, so Todorov, gibt es keinen Raum für Dialog. Die Folge: Unnachgiebigkeit, ja, sogar Krieg mit allen Mitteln. Die Demokratie ist zu verteidigen, aber Angst und Ressentiment führen schnell zu Fehlreaktionen. Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel, manchmal kann das Mittel schlimmer sein als die Krankheit. In seinen Reflexionen untersucht Todorov die Begriffe Barbarei und Zivilisation, Kultur und kollektive Identität, um jene Konflikte zu interpretieren, die heute zwischen den westlichen Ländern und dem Rest der Welt bestehen. Anhand von aktuellen Kontroversen illustriert und kommentiert Todorov alarmierende Anzeichen für Zivilisationsverluste und plädiert für eine kulturtheoretisch anspruchsvollere Deutung dieser Konfliktlagen. Kulturelle Vielfalt und universal gültige zivilisatorische Werte sind kein Widerspruch, auch wenn der Siegeszug der geschichtsphilosophischen Denkfigur, die Samuel Huntington auf die Formel vom ‘Kampf der Kulturen’ gebracht hat, ein manichäisches Weltbild zu zementieren versucht. Der ‘Krieg gegen den Terror’ als Reaktion auf dieses Weltbild führt zu einer bedenklichen Verwischung von Zielen und Mitteln, die am Ende sogar die Folter im Westen wieder salonfähig macht. Und so besteht die Gefahr, aus Angst vor den Barbaren selbst zu Barbaren zu werden. Es gilt zu erkennen, dass jegliche Identität grundlegend plurikulturell konstruiert, dass Kulturen Konstruktionen mit bestimmten Funktionen sind, denen der Mensch nicht schicksalhaft ausgeliefert ist.
Inhoudsopgave
Inhalt
Zwischen Angst und Ressentiment
1. Barbarei und Zivilisation Der Barbar Der Zivilisierte Von der Zivilisation zu den Kulturen Ein Erbe der Aufklärung Die Bewertung der Kulturen Die technischen und die künstlerischen Leistungen Ein Traum der Aufklärung Zivilisation und Kolonisation Über einige Missverständnisse
2. Die kollektiven Identitäten Vielfalt der Kulturen Die Kultur als Konstruktion Die Funktionen der Kultur Die Staaten und die Nationen Bedeutungsverlust des Staates Ein Staat ohne Kultur?
Moralische und politische Werte Ein Ministerium für Identität Kultur und Werte
3. Der Krieg der Welten Sich lieben oder Kriege führen?
Religionskriege und politische Konflikte Menschen wie wir?
Die manichäische Weltsicht Islamismus und Totalitarismus Der Krieg gegen den Terrorismus Der Zweck und die Mittel Folter: die Tatsachen Folter: die Debatte
4. Die Klippen umschiffen Mord in Amsterdam Der antiislamische Kampf Die dänischen Karikaturen Die Reaktionen Einige Überlegungen Die Papst-Rede Die islamische Seite
5. Die europäische Identität
Auf der Suche nach einer Identität Vielfalt als Grundlage der Einheit Formen der Koexistenz Das kosmopolitische Modell Europa im Westen Die Grenzen Europas
Jenseits des Freund-Feind-Denkens Aktuelles Nachwort
Danksagung Bibliografie Register
Over de auteur
Tzvetan Todorov, geboren in Sofia, verließ mit 23 Jahren Bulgarien, er lebt und lehrt seither in Paris. Er ist Essayist und Wissenschaftler, seine Forschungstätigkeit lässt sich der Literaturwissenschaft, Semiotik, Politik, Soziologie, Geschichte und Philosophie zuordnen. Er war Forschungsdirektor am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Paris, Gastprofessuren führten ihn u.a. an die Columbia University, Harvard University, Yale University, University of California. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen in Deutschland gehören ‘Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen’ und ‘Die verhinderte Weltmacht. Reflexionen eines Europäers’. Seine Werke erhielten zahlreiche internationale Auszeichnungen, zuletzt 2008 den Prinz-von-Asturien-Preis für Sozialwissenschaften.